Geschichten über Kalbe Milde
 

 



 
Zehnte Generation: Aufbau nach dem Krieg

Söhne Joachim Werners I.: Ludolf Burchard I (W. 155), Siegfried Andreas (W.157)
Söhne Busses XIII.: Levin Ludolf II. (W.158), Joachim Werner II. (W.156)
Söhne Gebhards XXIV.: Ludolf Burchard II. (W.153), Gebhard XXVI. (W.154)

Ungeschmälert in ihrem Umfange, ja um einige Erwerbungen vermehrt, ging die Herrschaft Calbe aus dem Großen Krieg hervor. Das Herzstück des Ganzen aber, die Burg, war entfestigt und ging dem Verfall entgegen. Ihre Preisgabe wirkte sich in jedem Betracht verhängnisvoll aus. Das stolze Haus der vorauf gegangenen Geschlechter, um das herum und um dessentwillen die Herrschaft entstanden und gewachsen war, bestand nicht mehr.

Die Befestigungen waren zerstört. Sicher hatten auch die Wohnbauten gelitten, doch zweifellos wären sie wieder herzustellen gewesen. Der Vorwurf, dies versäumt zu haben, trifft die Söhne Joachim Werners I., Ludolf Burchard I. und Siegfried Andreas, die ihren Hauptsitz in Calbe behielten. Doch sind die Umstände, die eine Rückkehr in die Burg verhinderten, nicht genau bekannt. Die Hauptschwierigkeit bestand zweifellos in der Zersplitterung des Besitzes.

Als Beispiel sei an dieser Stelle erwähnt, dass, als Anfang des 19. Jahrhunderts alle Calbeschen Güter außer dem heutigen Rittergut in andere Hände überging, das gemeinsame Burgeigentum weiter an dem nunmehr veräußerten Grundbesitz haften blieb. Als Dr. Ludolf v. Alvensleben-Calbe sich 1922 um Rückerwerb der Anteile an der gemeinsames Eigentum gebliebenen Kapellenruine mit Erfolg bemühte und alle Teile außer dem 1/9 des Ritterguts Vienau an sich brachte, waren an dem Anteil von 1/12 des parzellierten Ritterguts Groß Engersen 20 Teilhaber, an dem 1/18 des parzellierten Rittergutes Berge sogar 60 Teilhaber berechtigt.

So ließ man das Denkmal gefallener Größe beiseite, wie es gleichzeitig vielfach geschah, und begnügte sich mit bescheidenen Vorwerkshäusern, während die Burg Erxleben und Neugattersleben noch bis 1945 das Geschlecht und seine Denkmäler beherbergten.

Das Land war verwüstet und entvölkert. Trotz aller Bemühungen der Landesherren wurde die einstige Kulturhöhe nicht wieder erreicht, die Städte sanken von ihrer Blüte herab und führten bis ins 19. Jahrhundert ein Schattendasein. Handel und Gewerbe verschwanden, mit ihnen das Patriziat und der Hochstand der altmärkischen Schulen.

Anders der Adel in größeren Verhältnissen. Was in jenen Jahrzehnten erlitten wurde, lässt sich kaum ermessen. Zeitgenössische Aufzeichnungen wie jene Alexanders III. von der Schulenburg-Altenhausen geben eine in den Einzelheiten deutliche, packende Vorstellung von dem grausamen Schicksal, das einer Burgherrschaft an der altmärkischen Grenze im Dreißigjährigen Krieg auferlegt war. Da die Blutopfer geringer blieben als in anderen Ständen, konnte die Natur, die Zerstörtes stets zu heilen trachtet, bald ans Werk gehen. Nach Einstellung der Kriegshandlungen hatten Regierung und Grundherren größtes Interesse daran, die verlassenen Dörfer mit Bauern wieder zu bevölkern und deren Zahl zu erhöhen, denn nur so konnte es gelingen, das verwilderte Land von Neuen in Kultur und die versiegten Einnahmequellen zum fließen zu bringen. Geschick und Energie führten schnell zum Ziel, zumal auch benachbarte Landstriche weniger gelitten hatten.

Von den Burgen und Schlössern der Alvensleben entging Erxleben allein der vollständigen Zerstörung. Calbe, Neugattersleben, Rogätz, Isenschnibbe, Hundisburg, Eichenbarleben, Randau, Zichtau, alle Kurien und Stadthäuser lagen in Trümmern. Bald bildeten sich die Vermögen wieder, im Magdeburgischen rascher als in der Altmark. Dennoch entstanden hier künftig keine bedeutenden Bauten mehr. Insbesondere die Grabmalskunst, die in Calbe ansehnliche Werke hinterlassen hat, blieb hier für immer abgestorben, während sie in Erxleben und auf den Magdeburgischen Sitzen noch lange Zeit geblüht hat. Auch das geistige Leben war sichtbar zurückgegangen. Nur die Gewohnheit großer Kavaliersreisen wurde so wichtig genommen, dass sie selbst durch trübe Zeiten kaum eine Unterbrechung erfuhr, bis sie im 18. Jahrhundert in der alten Form verschwand.

Unter den Familiensitzen im Bereich der Herrschaft trat zumal Zichtau an die Stelle von Calbe, das allmählich zur Pfründe aller Zweige der Alvensleben Schwarzer Linie herabsank.

Das belebende Element der Regierung des Großen Kurfürsten und ihrer weit gespannten politischen Ziele, wirkte sich in der Altmark stärker aus als im Erzstift Magdeburg, wo bis 1680 eine gewisse reichsständische Unabhängigkeit bestehen blieb, die zu Folge hatte, dass das Reichsinteresse dem territorialen übergeordnet und die Stellung der größeren Vasallen unabhängiger blieb. Die altmärkischen Alvensleben auf Calbe und Gardelegen übernahmen in der Regel die traditionellen brandenburgischen Ämter, während die magdeburgischen in Staats- und Hofdienste nach freier Wahl ihre Unabhängigkeit wahrten, höhere Weltläufigkeit erwarben und ein glänzenderes Kulturleben zu entfalten vermochten. Die wichtigsten Erwerbungen des Hauses Calbe war in dieser Generation Kloster Roda in Thüringen.

Ein typisches Schicksal dieser Generation, von deren Vertretern weder Bildnisse noch wesentliche persönliche Züge überliefert sind, ist das Ludolf Burchards I. (W.155; 1620–1675). Als ältester Sohn Joachim Werners I, nahm er früh schwedische Kriegsdienste, verließ sie 1643 und ging als Hofjunker an den Hof des Großen Kurfürsten, wurde Kornett beim Reiter-Regiment des Oberstallmeisters Johann Ehrenreich v. Burgdorff, stürzte aber unglücklich vom Pferde und musste den Abschied nehmen. Er ging nach Calbe, übernahm mit seinen Brüdern Levin Ludolf II. und Siegfried Andreas, die Bewirtschaftung des ihnen gemeinsam zugefallenen Großen Vorwerks und der anderen väterlichen Güter. 1658 wurde er zum Kriegskommissar der Altmark ernannt. Im gleichen Jahr heiratete er Elisabeth, eine Tochter Burchards v. Veltheim auf Harbke und Ostrau und der Helene v. d. Asseburg, die 1675, zwei Jahre vor ihrem Gemahl, gestorben ist (in Böddensell, auf der Fahrt zur Beisetzung ihrer Schwägerin Metta Susanna, geb. v. Bodenhausen in Waltershausen im Südharz). Ludolf Burchard und Elisabeth ruhen in der Nikolaikirche zu Calbe.

Während Ludolf Burchard I. zeitlebens sein Vorwerk zu Calbe bewohnte, verwandte Joachim Werner II. (1622–1679) seinen Anteil zum Erwerb von Kloster Roda. Er trat zunächst in hessische Kriegsdienste als Kornett im Regiment seines Schwagers, des Obersten Albrecht Volrath v. Rauchhaupt, nahm als Leutnant Abschied und lebte mehrere Jahre in Calbe.

„Um die von seinem Vater noch nicht zu neuen Lehngütern verwandten Gelder, der Vorschrift des Großvaters (Ludolf XIII.) gemäß anzulegen, kaufte er im November 1659 von den Verwandten seiner Verlobten, den Herren v. Bodenhausen, das in Thüringen, unter Kursächsischer Hoheit im Amte Sangerhausen gelegene Rittergut Kloster Roda mit seinen Zubehörungen für 22.800 Gulden“.

Dort nahm er seinen Wohnsitz, wirkte als Abgeordneter des Thüringischen Kreises im großen Ausschuss der Kursächsischen Landschaft wie als Kriegskommissarius und starb 1679 an der Schwindsucht. In der Kirche des zu Kloster Roda gehörenden Dorfes Blankenhain wurde er beigesetzt, während seine Gemahlin Metta Susanna v. Bodenhausen a. d. H. Niedergandern (1631–1673) in der Marktkirche zu Walhausen begraben liegt, wo sie bei ihrer Schwester Asseburg starb.

Vom Hause Calbe–Roda, das über vier Generationen, bis zu seinem Aussterben 1822, geblüht hat, wird im Zusammenhang noch die Rede sein. Sein bedeutendster Vertreter war der kursächsische Oberst Werner Ordomar auf Kloster Roda, ein Kondottiere des 17. Jahrhunderts, Joachim Werners Sohn, der die Herrschaft Goseck an der Saale erheiratete, wo ein prunkvolles Grabmal in der Schlosskapelle an ihn erinnert.

Siegfried Andreas (1629–1684) trat 1647 in hessische und 1655 in brandenburgische Kriegsdienste, stand in Ostpreußen als Kornett und Leutnant, später im Regiment des Generals v. Kannenberg, schied mehrmals aus dem Dienst aus, um in Calbe seinen Besitz zu verwalten, kehrt jedoch trotz der Größe seiner Aufgaben und Einkünfte immer wieder zu den Waffen zurück.

Nach Auflösung seiner Truppe in Minden 1663 bemühte er sich vergebens um Verwendung in einem Kontingent Magdeburgischer Truppen gegen die Türken, erhielt aber statt dessen eine Hauptmannsstelle im Braunschweigischen Heer 1665 unter dem Obersten v. Raesfeld und stieß 1675 noch einmal zur Brandenburgischen Armee unter Oberst Georg Adolf v. Mikrander. Fraglos waren es die hemmenden Auswirkungen des Teilungsprinzips und nicht zuletzt der Asseburgschen Pfandschaft, die noch fortbestand, die diesen Mann trieben, seine Heimat immer wieder zu verlassen und Kriegsdienste aufzusuchen, anstatt seine Energie auf Calbe zu konzentrieren.

Siegfried Andreas überlebte seinen Bruder, beerbte 1675 Ludolf Burchard und besaß außer Anteilen an Calbe–Großes Vorwerk das seinem Hause verpfändete Uhrsleben. 1681 wurden – wie dies auch in Gardelegen und Neugattersleben geschah – „die sämtlichen Teilhaber an Calbe von der kurfürstlichen Lehnskanzlei wegen versäumter Lehnsmuthungen und nicht eingeholter Consenses zu verschiedenen Wiederkaufs–Veräußerungen, mit der damals gewöhnlichen Strenge in Anspruch genommen“, ein Rechtsmittel des Großen Kurfürsten, Vasallen an die Kandare zu nehmen und gewisse Lehen einzuziehen. Die Alvensleben kamen mit großen Geldzahlungen davon. Die Anwartschaft auf Brumby und die Werdenslebenschen Güter, die dem Haus Neugattersleben verloren ging, war die fühlbarste Einbuße, während der Verlust von Gardelegen, Rogätz, Seedorf und anderen mit genauer Not zu vermeiden war.

Siegfried Andreas unternahm in dieser Sache 1684 eine Reise an den Berliner Hof. Dort starb er an einem hitzigen Fieber und wurde am 15. Mai auf dem Friedhof am Grauen Kloster beerdigt.

Seine erste Gemahlin, Magdalena Sophia v. Kisleben a. d. H. Bentzingerode im Fürstentum Blankenburg, vermählt 1668, gestorben 1670, gebar ihm eine Tochter, Hedwig Elisabeth (1670–1738), geboren zu Calbe, vermählt 1690 zu DomBrandenburg an Joachim Detloff v. Winterfeldt auf Freyenstein, Neuhausen, Kehrberg und Neuendorf in der Priegnitz.

Hedwig Elisabeth gebar siebzehn Kinder. Ihr Gemahl galt als einer der reichsten Grundherren seines Geschlechts. Von beiden Eheleuten existierten bis 1945 je drei Bildnisse (teils im Lichtbild erhalten). Der Sohn, Johann Gebhard v. Winterfeld, heiratete eine Tochter des preußischen Feldmarschalls Grafen v. Katte, also eine Schwester Hans Hermanns, des zu Küstrin hingerichteten Freundes Friedrich des Großen. Sophie Charlotte, eine Tochter Hedwig Elisabeths, vermählte sich 1717 mit dem preußischen Generalmajor Georg Vollrath v. Kröcher auf Lohm (1678–1748), dem späteren Generaladjutanten König Friedrich Wilhelms I., Amtshauptmann zu Stettin, Gouverneur des Herzogtums Geldern und Ritter des Ordens de la générosité, gemalt von Antoine Pésne. Ein Bildnis Kröchers von des Königs eigener Hand befand sich bis 1945 im Stadtschloss zu Potsdam.

Von Siegfried Andreas zweiter Gemahlin, Margaretha Dorothea v. Krahe, die er 1675 heimführte, und die sich nach seinem Tode mit Heinrich Detloff v. Ritzdorff wiedervermählte, stammt der einzige Sohn Werner Carl, der elfjährig starb, und eine Tochter, Agnes Dorothea (1683–1761), vermählt 1792 mit Daniel Gottfried v. Kalben auf Schmoor in der Altmark.

Weitere Anteile an Calbe besaßen der Ritterschaftsdirektor Levin Ludolf II., der im Kapitel Zichtau behandelt werden wird, ferner die Hundisburger Brüder, Ludolf Burchard II. (1637–1667) und Gebhard XXVI. (1638–1690), die unvermählt starben. Beide waren, nach dem Zeugnis der Stemmatographie Gebhards XXV. v. Alvensleben, „ohne missgestaltet zu sein, viel kleiner als ausgewachsene Männer sonst zu sein pflegen“. Sie besaßen ganz Hundisburg, Teile von Rogätz, Calbe, Groß Engersen, Badingen, und wohnten in Hundisburg. Der ältere starb an Verstopfung auf einem Gerichtstag in Groß Engersen. Der jüngere war „hitziger und rauer Gemütsart“; und wurde „der böse Zwerg“ genannt, geriet mit den Gerichten in Konflikt, tat aber auch Gutes. Seinem Freund Heinrich Detloff v. Retzdorff, dem Gemahl der Witwe des Siegfried Andreas, der seine Güter lange verdienstvoll verwaltet hatte, überließ Gebhard das Rittergut in Badingen wiederkäuflich. Im Wiederkaufsbesitz des Neuen Vorwerks zu Calbe folgten die Erben seiner Schwestern Schulenburg und Krosigk, während sein Lehnsnachfolger der großbritannische Geheime Staatsminister Johann Friedrich II. v. Alvensleben wurde.


mit freundlicher Genehmigung, entnommen der Chronik "Die Alvensleben in Kalbe - 1324-1945" von Dr. Udo v. Alvensleben-Wittenmoor verfasst 1920-1960 bearbeitet von Prof. Dr. Reimar v. Alvensleben

   
  
 

   © 2001 by H.Krüger •      •   Haftungsausschluß   •   Quellen  •   Impressum