Geschichten über Kalbe Milde
 

 



 
Die 15. – 17. Generation in Kalbe 1830–1945


Marie v. Alvensleben, geb. Wagner (1824-1901)
mit Wilhelm (1853-1886), gemalt von E. Schildt
Ludolf v. Alvensleben (1819-1883)
Wilhelm IV. v. Alvensleben (1810-1886)Gebhard v. Alvensleben (1816-1895)

Dem Domherren Wilhelm folgten im Besitz von Kalbe noch drei Generationen. Die Söhne Wilhelms zunächst erbten Calbe gemeinsam. Der zweite, Wilhelm IV. (Kr. VII,6, 1810–1886), vermählt mit Marie Wagner, der Tochter des Oberpredigers in Calbe, verwaltet das Landgut Calbe, das er schon zu Lebzeiten seines Vaters gepachtet hatte, von 1832–1852, dem Jahre, in dem der jüngste, Oskar, mündig wurde. Er baute 1840 ein neues Herrenhaus in spätklassizistischer Form. Das Los fiel 1852 auf den fünften Bruder, Ludolf. Wilhelm erwarb darauf 1852 das Rittergut Demker bei Stendal, das von 1886 ab mit Calbe vereinigt blieb und 1908 wieder verkauft wurde. In Demker lebte er als Kreisdeputierter, dort ist er auch gestorben und beigesetzt.

Ludolf (Kr. VII, 10, 1819–1883), der Calbe 1852 durch das Los gewonnen hatte und dort unvermählt gestorben ist, machte 1879 nach Erlass des Lehnsauflösungsgesetzes das alte Stammgut zum Fideikommiss.

Gebhard (Kr. VII, 9, 1816–1895), der dritte Bruder, in Calbe geboren, in Berlin und Paris musikalisch ausgebildet, verkehrte in den Häusern Alexander von Humboldts, Carl Friedrich von Savingnys und der Bettina von Arnim.

Er war gebildet, kunstsinnig und künstlerisch sehr talentiert, dichtete, komponierte, sang „mit schöner Bassstimme“ und dirigierte. In Berlin komponierte er eine Kantate und Lieder nach Texten der Romantiker"1" . Im Jahre 1843 dirigierte er die Konzerte der 20. Saison des Musikvereins „Euterpe“ (1824-1874) in Leipzig. In dieser Zeit stand er auch mit Robert Schumann in Kontakt. Ein französisches Musiklexikon aus dem Jahr 1860 würdigte seine Leistungen. Seine Briefe an Bettina v. Arnim und ihre Töchter sind – als schöne Zeugnisse der Romantik - im Goethe-Museum in Frankfurt/Main aufbewahrt. Er war Ehrenritter des Johanniterordens. Ein Gehörleiden überschattete seinen Lebensabend.

Schloss Falkenberg bei Homberg, Hessen

Gebhard erbte Schloss und Rittergut Gohlis bei Leipzig, verkaufte beides 1863 und erwarb dafür 1872 das Gut Falkenberg bei Homberg in Niederhessen mit den Vorwerk Grünerhof und Hopfenmühle, das er bis ins hohe Alter bewirtschaftete, und wohnte in dem von einer Burgruine überragten vormals Landgräflichen hessischen Schlosse.

Für diesen Besitz, der 1899 wieder veräußert wurde, kaufte sein Sohn Richard (Kr. VII, 21, 1855-1945), 1904 Gross-Raden bei Sternberg in Mecklenburg, ein wertvolles, an einem großen See gelegenes Gut, das er jedoch, nachdem sein ältester Sohn Werner gefallen war, 1915 wieder verkaufte. Das beim Verkauf erlöste Kapital wurde durch Richards Sohn Heinz-Dietrich (Kr. VII, 48, 1907-1980), in der Farm Hagenstolz (heute Kumkauas) im Bezirk Groot-fontein, Süd-West-Afrika (heute Namibia), angelegt, wo seine Nachkommen heute noch leben.

Das Schloss Gohlis war jener bekannte Barockbau mit dem Oeserschen Fresken, der von deutschen Klassikern vielfach geschildert, ein Kulturzentrum der Stadt Leipzig bildet. Im Inneren befinden sich noch Bildnisse und Erinnerungen an die Alvensleben, die dort ein allen Kulturströmungen offenes Leben geführt haben.

Ein weiterer Bruder, Udo (Kr. VII, 12, 1823-1910), war eine sowohl praktisch wie künstlerisch begabte, ebenso wie kontemplative Natur, tüchtiger Landwirt, Verfasser kulturgeschichtlich interessanter „Lebenserinnerungen“, Begründer von archäologischen Sammlungen. Er besaß 1851–1858 Maiwaldau bei Hirschberg/Schlesien.

Schollene um 1760
Zeichnung von Anco Wigboldus
Doch zog es ihn in die Heimat, und 1860 erwarb er das einstmals Wartenslebensche Gut Schollene an der Havel im Lande Jerichow, das ein architektonisch bedeutendes Schloss besaß, einen Hufeisenbau etwa von 1739, vielleicht das Werk des Berliner Baumeisters Philipp Gerlach, der die Potsdamer Garnisonskirche schuf. Das Gut befand sich zur Zeit der Enteignung 1945 im Besitz des Dr. med. Alkmar von Alvensleben, Direktors der Landesfrauenklinik in Magdeburg.

Udo v. Alvensleben-Schollene (1823-1910)Oskar v. Alvensleben (1831-1903)

Der jüngste Bruder, Oskar (Kr. VII, 13, 1831–1903) lebte unvermählt als Maler und Kunstsammler in Dresden"2" . Er gehörte der Schule Ludwig Richters an, also der spätromantischen Richtung. Seine Stärke zeigt sich in lavierten und aquarellierten Federzeichnungen von Landschaft und Architektur. Von seinen zahlreichen Bildern hat er nie eines verkauft, sondern ganz Mappen davon hinterlassen. Sie befinden sich heute u.a. in den Kulturhistorischen Museen in Magdeburg und Stralsund, im Stadtmuseum Dresden und im Vogtlandmuseum Plauen. Seine Bilder wurden unter anderen auf folgenden Ausstellungen gezeigt: 1870/71, 1888, 1894 Akademie Dresden, 1886 Akademie Berlin, 1942 Kunsthandlung Naubert in Leipzig mit 400 Zeichnungen, 1943 in Leipzig bei C.G. Boerner, 1976 Galerie Ketterer in München (u. a. auch ein Selbstbildnis), 1980 Staatliche Galerie in Dessau („Dessauer Ansichten aus vier Jahrhunderten“). Einen Teil seines Vermögens stiftete er zur Erhaltung der Burgruine in Calbe, worauf noch eine Gedenktafel am Giebel des Gebhardsbaus hinweist. Sein Bildnis zeigt ein feines Greisenantlitz voll Güte und Humor.
Gutshaus Demker
Im Jahr 1879 wurde um Calbe noch einmal gelost. Diesmal fiel das Stammhaus an den noch lebenden Bruder Wilhelm, der sich inzwischen in Demker niedergelassen hatte und nun zugunsten seines Sohnes Wilhelm VI. (Kr. VII, 20 1853–1886) auf Calbe verzichtete. Dieser Wilhelm starb bereits 1886. Seine und Julius Müllers vorgeschichtlichen Sammlungen bildeten den Grundstock des Altmärkischen Museums in Stendal, das in seinen prähistorischen Beständen eines der wichtigeren Deutschlands war. Wilhelms Witwe, Anna Wachs a. d. Hause Hanerau (1853–1934), eine kluge, energische Frau, bewirtschaftete Calbe bis 1919, verkaufte aber Demker 1908. Sie lebte die letzten Jahre im Lindenhaus.

Wilhelm VI. v. Alvensleben (1853-1886)Anna v. Alvensleben, geb. Wachs (1855-1934)
mit Sohn Ludolf (1882-1971)
und Tochter Else-Anne (1885-1954) – Aufnahme 1895
Dr. Ludolf v. Alvensleben (1882-1971)
im Alter von 70 Jahren

Der einzige Sohn dieser Ehe, Ludolf (Kr. VII, 38, 1882-1971), übernahm 1919 die Verwaltung des Gutes in der siebzehnten Generation bis 1945. Er war Dr. jur., Ritter des Johanniter-Ordens und nahm als Rittmeister d. R. am ersten Weltkrieg teil, ausgezeichnet mit dem EK I und dem silbernen Verwundeten-Abzeichen. Nach dem Krieg war er kurze Zeit Landrat in Kolberg. 1920 vermählte er sich mit Christa von Goßler, Tochter des Landrates Konrad von Goßler auf Zichtau und der Elisabeth Rabe von Pappenheim. Ludolf ließ die Burgruine wieder herstellen, kaufte Teile der Burginsel zurück und veranlasste als Kirchenpatron die Erneuerung der Nikolaikirche und ihrer Grabmäler.
Christa v. Alvensleben, geb. v. Goßler mit ihren Kindern
Oda, Busso und Ludolf
Seit den Feldzügen Napoleons war die Altmark von Invasionen verschont geblieben. Im April 1945 wurde Calbe im Zuge der letzten Operation des zweiten Weltkriegs, kurz bevor sich die Armeen der Alliierten, von Osten und Westen vorstoßend, an der Elbe begegneten, durch amerikanische Truppen besetzt, die die Altmark im Mai dem britischen Besatzungsheer übergaben. Am ersten Juli 1945 räumten die Engländer die Provinz Sachsen westlich der Elbe. Die Russen besetzten die ihnen im Vertrag von Jalta zugesprochenen Gebiete bis zur Grenze Hannovers. Das Alvenslebensche Herrenhaus wurde russisches Lazarett. Unter sowjetischem Einfluss enteignete die kommunistische deutsche Regierung den gesamten Grundbesitz über 100 ha. Damit verloren die Alvensleben ihre sämtlichen Besitzungen. Auch wurden alle Vermögenswerte beschlagnahmt. Innerhalb weniger Stunden hatten die Gutsbesitzer, meist nur mit dem, was sie persönlich zu tragen vermochten, Haus, Hof und den Kreis zu verlassen. Jeder Versuch auszuharren, erwies sich als unmöglich. Die Enteignung von Calbe wurde am 10. Oktober 1945 verfügt. Ludolf fand mit seiner Gattin für einige Jahre Zuflucht im Pfarrhaus zu St. Nikolai in Gardelegen, wo er das Amt eines Archivars übernahm. Gesundheitlich angeschlagen und ohne Perspektiven floh er 1953 zu seiner Tochter Oda Ingwersen in Rheinbreitbach, wo er 1971 starb. Die beiden Söhne Ludolfs nahmen als junge Offiziere in der Stendaler Panzeraufklärungs-Abteilung 13 am 2. Weltkrieg teil. Busso (*1925), der jüngere Bruder, reich begabt und von ausgezeichneter Erscheinung, fiel am 10. Mai 1944 bei Floresti in Rumänien. Der ältere, Ludolf (1922-1995) wurde schwer verwundet. Er vermählte sich 1954 auf der Burg Frens im Rheinland mit Elisabeth Gräfin Beissel v. Gymnich, lebte als Kaufmann in Hamburg und später als Rentner in Wienhausen bei Celle. Aus dieser Ehe stammen zwei Söhne, Busso (*1957) und Ludolf Andreas (1960-2001).

Oda (1921-2001) und Busso (1925-1944) Ludolf v. Alvensleben (1922-1995)

mit freundlicher Genehmigung, entnommen der Chronik "Die Alvensleben in Kalbe - 1324-1945" von Dr. Udo v. Alvensleben-Wittenmoor verfasst 1920-1960 bearbeitet von Prof. Dr. Reimar v. Alvensleben

"1"
Sie wurden am 12. September 2006 im Rahmen eines Lese- und Liederabends im Gohliser Schlösschen zusammen mit einer Lesung seiner Briefe an die Arnims wieder aufgeführt.
Literatur: Biographie, "Universelle des Musiäeus“, Band 1, Paris 1860. - Johannes Werner: Briefe aus dem Gohliser Schlösschen an Bettina von Arnim. Leipziger Neueste Nachrichten Nr. 786, S. 2 vom 5. Juli 1929. - Johannes Werner: Maxe von Arnim. Ein Lebens- und Zeitbild aus alten Quellen. Leipzig 1937, S. 92 - Sabine Hocquel-Schneider, Alberto Schwarz, Brunhild Vollstedt: Das Gohliser Schlösschen zu Leipzig. Edition Leipzig 2000, S. 87-89.
"2"
Allgemeines Künstlerlexikon. Die bildenden Künstler aller Zeiten und Völker. Band 2, Leipzig 1986, S. 483.

   
  
 

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