Geschichten über Kalbe Milde
 

 



 

 

 
Die alte Kirchenbibliothek

Aus dem 16. Jahrhundert ist der Kirche in Kalbe die Privatbibliothek des Pastors und Inspektors Elias Hoffmann (1518-1579, Amtszeit ab 1548) erhalten geblieben. Das ist umso erstaunlicher, da auch Kalbe z.B. im 30jährigen Kriege Plünderung und Verwüstung hat hinnehmen müssen. Ob es die Verfügung Hoffmanns selbst war oder die seiner Erben, die Bibliothek in Kalbe zu belassen, wissen wir nicht. Insgesamt umfasst die alte Kirchenbibliothek 576 Bände, davon 108 Folianten (21 x 33 cm und einige größere Formate), 175 Quartbände (15 x 21 cm) und 293 Oktavbände (11 x 16,5 cm). Sämtliche Bände sind in Schweinsleder gebunden. Einige wenige Bände sind beschädigt. In einem großen Teil der Bände sind mehrere Schriften, meistens themenverwandt, zusammen gebunden, so dass in der Sammlung insgesamt 1758 Schriften vereinigt sind.

Elias Hoffmann war, nach einigen handschriftlichen Widmungen zu urteilen, mit namhaften Theologen seiner Zeit bekannt. Er selbst gehörte wie sein Patronatsherr Joachim von Alvensleben (1514-1588), der in Erxleben bei Magdeburg eine Bibliothek aufbaute, zu den sogenannten Gnesiolutheranern. Dies spiegelt sich auch in Hoffmanns Sammlung, die in seltener Geschlossenheit die dogmatischen Streitigkeiten innerhalb der lutherischen Kirche in der zweiten Hälfte des 16. Jhs dokumentiert.

Hoffmanns Nachfolger fügten der Bibliothek weitere 230 Titel hinzu, davon 135 aus dem 16. Jh und 91 aus dem 17. Jh. Große Verdienste um die Bibliothek erwarb sich auch Superintendent Julius Müller (1839-1922), der die Bibliothek 1880 eingehend katalogisierte.

Nach Integrierung der Sammlung im Jahre 1893 in die neugegründete Pfarrbibliothek, für die ein jährlicher Etat von 50 Mark vorgesehen war, wurden dem vorhandenen Altbestand nur noch 28 Titel hinzugefügt, während der Anschaffungsschwerpunkt für die neue Bibliothek nun vor allem auf geschichtlicher Literatur lag.

Einige Folianten, die Werke der Kirchenväter Augustinus, Hieronymus, Hilarius, Chrysostomus, Athanasius u.a. enthalten, scheinen aus Klosterbesitz zu stammen, denn auf verschiedenen Innenseiten sind Eigentumsangaben gemacht von einem "frater Bonifatius" und einen "frater Johannes Menlingus".

Im Jahre 1973 konnten noch einmal zahlreiche historische Werke aus dem Nachlaß von Julius Müller (insgesamt 176 Nummern) sowie 1975 aus dem Nachlaß von Pfarrer Paul Koch (1882-1960) in Krusemark übernommen werden. Weitere, vor allem theologische Bestände, wurden aus umliegenden Orten zusammengetragen.

Vorhanden sind auch 12 Bände einer Lutherausgabe von Hans Lufft, Wittenberg 1539 - 1559 und 7 Bände einer Lutherausgabe von 1550 - 1557. Am stärksten vertreten sind Schriften dogmatischen Inhalts (fast 550), gefolgt von knapp 400 Schriften, die aus den verschiedensten damals aktuellen Anlässen verfasst sind. Exegetische Werke zu biblischen Büchern sind in 226 Schriften enthalten. Auffallend wenige Leichenpredigten (61), die damals gedruckt sehr verbreitet waren, enthält die Bibliothek. Einige Schriften sind dem Elias Hoffmann von den Verfassern dediciert (gewidmet) worden, u.a. eine Schrift von dem berühmten Theologen Matthias Flacius Illyricus (Band 131). Das älteste Werk ist ein Titel des Mediziners Mundinus, Anathomia (Leipzig: Martin Landsberg, um 1493).

Überblickt man den Gesamtbestand, so fällt auf, dass besonders viele Schriften von den damaligen theologischen Streitigkeiten um das Heilige Abendmahl, um die guten Werke, um die Erbsünde usw., die nach Luther die evang. Kirche bewegten, vorhanden sind.

Am häufigsten sind als Verfasser vertreten: Matthias Flacius 125, Martin Luther 105, Philipp Melanchthon 87, Johann Wigand 70, Georg Major 56, Cyriacus Spangenberg 50, Johann Brenz 49, Jacob Andreae 45, Nicolaus Selneccer 27 mal. Der zweitälteste in der Bibliothek vorhandene Druck stammt aus dem Jahre 1500, in Paris gedruckt und enthält Orationes des Franciscus Philelphus.

Besondere Erwähnung verdienen auch 61 Leichenpredigten sowie ein Konvolut (Nr. 271) mit 113 Kleindrucken, zumeist Gratulationsschriften zu Promotionen in den achtziger und neunziger Jahren des 16. Jhs an den Universitäten Jena, Leipzig, Wittenberg und Helmstedt. Ein weiterer Band enthält 7 in Mühlhausen entstandene Musikdrucke mit Texten von Ludwig Helmbold (1532-1598). Von dem Theologen, späteren Mathematiker und Astronomen Johann Jakob Zimmermann (1644-1693) findet sich Substructio tabularum theoricarum partim ad inveniendas in singulis (praeter Lunam) planetis ... (Stuttgart 1679).

Nennenswert unter den historischen Beständen der neuen Bibliothek sind vor allem die Chroniken und regionalgeschichtlichen Darstellungen zur Altmark aus dem 18. und 19. Jh, wie Philipp Wilhelm Gercken, Diplomataria Veteris Marchiae Brandenburgensis (Salzwedel 1765-1767), Siegmund Wilhelm Wohlbrück, Geschichtliche Nachrichten von dem Geschlechte von Alvensleben und dessen Gütern (Berlin 1819-1829) und Ernst Wollesen, Chronik der Stadt Werben und ihrer ehemaligen Johanniter-Komturei (Werben 1898).


Quellen im Inhaltsverzeichnis
.....aus einer Schrift zu 1.000 Jahre Kalbe(M) von Pfarrer S. Schneider
.....ergänzt um Auszüge aus dem Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Österreich und Europa (Fabian-Handbuch), http://fabian.sub.uni-goettingen.de/?Kirchenbibliothek_St._Nicolai

 
 
 
 
 
   
  
 

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