Geschichten über Kalbe Milde
 

 



 
Burg Calbe 1632–1770

Beschreibung von Wohlbrück (nach Zarnack ca. 1770), W. II, 119 ff.
Auszug aus der Cronik der Fam. v. Alvensleben

Die Burg Calbe lag der Stadt gegen Morgen an dem nach Neuendorf führenden Damme. Man gelangte dahin durch einen einzigen Damm, welcher zwischen der Milde und dem Burggraben bis an eine Zugbrücke fortlief. Indem man über diese erste Brücke ging, erblickte man unter sich einen breiten ganz verwachsenen Graben (den dritten äußeren Graben), welcher ohne Zweifel bei der Zerstörung des Schlosses 1632 (ebenso wie der innerste Graben, in dem die Außenmauern der Burg standen) zugeworfen war. Um jene äußeren Gräben ging ein Weg. Von dessen Ende führte ein Fußsteig gegen Morgen auf einen länglich runden Platz mit Wall und Graben, wo ein Außenwerk gestanden zu haben schien. An dieser Rundung fanden sich Überbleibsel eines mit großen Feldsteinen bereiteten Mauerwerks. Mehrere Spuren eines gleichartigen Mauerwerks wurde man von dort an bis zu dem Graben des Neuendorfer Dammes gewahr. Vielleicht war es die Uhlenburg, welcher im Calbeschen Burgfrieden von 1494 gedacht wird, vielleicht in alten Zeiten Wohnsitz der Calbeschen Burgmänner.

Zur Hauptburg zurückkehrend, fährt Wohlbrück fort:

Hinter den ersten (äußersten) Burggraben von 1553 befand sich ein nun gänzlich eingeebneter (in Hopfengärten verwandelter) Wall, welcher sich rund um die Burg hinzog. Hierauf kam ein zweiter, sehr tiefer Graben, dessen Breite 50 – 60 Fuß betrug, und über welchen auf der Mitternachtsseite eine Zugbrücke führte, (die erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch einen Fahrdamm ersetzt wurde). Da der Graben durch einen Kanal (die Flete) mit der Milde (nahe der Mühle) zusammenhing, konnte es ihm nie an Wasser fehlen. Die Erde aus diesem Graben war erforderlich gewesen, um in der Niederung eine Erhöhung zu bilden, auf der die Burg stand. Von dem Großen (mittleren) Graben bis an denjenigen, in dem die Ringmauer der Burg stand, war der abgetragene Wall an den meisten Orten hundert und mehr Schritte breit. (Der Überlieferung nach wurden die Ringmauern, soweit keine Gebäude darauf standen, bei der Schleifung in die Gräben gestürzt.)

Setzte man seine Weg über die zweite Zugbrücke fort, so gelangte man durch ein Tor, welches mit einem Fallgitter versehen war, wie man an den großen Feldsteinen erkannte, in deren Rinnen einst die Zapfen liefen. Auf beiden Seiten standen starke Mauern und Rondelle mit Schießscharten. Weiter hinauf befanden sich noch zwei starke Tore.

(Eines davon öffnete sich auf die Zugbrücke über den innersten Graben. Passierte man es, so stand man im Zwinger vor der Schildmauer des Burgkerns. Nun wandte man sich nach Südosten, also nach links, gegen Westen zeigte sich der Zwinger durch eine Quermauer unterbrochen. Noch bevor man das Haupttor des Burgkerns erreichte, war das mit Wohngelass überbaute Vogeltor, das zweite der von Wohlbrück erwähnten, zu durchqueren, das den Zugang durch den Zwinger erschwerte, in dem der Angreifer obendrein von den Schießscharten des Burgkerns aus auf der Schwertseite zu beschießen war.)

Ehe man völlig in die Burg trat, (auf den Burghof) sah man den Grund der Pfeiler eines vierten, nun verfallenen Tores. An diesem zur linken Hand stand ein altes, vom (Kern) der Burg abgesondertes, ein längliches Viereck ausmachendes Mauerwerk, welches der untere Teil eines ehemaligen Wachturmes zu sein schien. Trat man endlich in den inneren Raum der Burg, so lag zur Rechten ein tiefes Gewölbe in einem Rondell, welches nun zu einem Gefängnis gebraucht wurde und wahrscheinlich auch ehemals dieselbe Bestimmung hatte. Über (neben) diesem Gewölbe stand nach Mitternacht hin ein Gebäude von dicken Mauern und drei Stockwerken, dessen beide sehr hoch gespitzte Giebel nebst den Seitenmauern noch vorhanden waren. Aus dem ersten Stockwerk waren zwei Erker heraus gebaut. Nach deutlichen Anzeichen war dieses Haus gegen Ende des 15. Jahrhunderts von Gebhard XVI. (gest.1494, Vater Bischof Bussos II. von Havelberg) bewohnt worden. Von einem Kamine und den darin befindlichen Wappen (Alvensleben und Bülow) sind Spuren noch jetzt (1778) vorhanden. (1945 stehen noch Westgiebel und Grundmauern). Es schien seiner Bauart nach das Älteste zu sein, wie es das festeste war. Nirgends sah man so sparsame Fensteröffnungen angebracht als an der äußeren, über der Ringmauer stehenden Seite, ohne Zweifel, weil die Burg von der nach dem Damme gekehrten Seite am ersten angegriffen werden konnte.

Gegen Abend war kein Überbleibsel von eigentlichen Gebäuden mehr zu sehen. Die Mauern auf dieser Seite waren an den meisten Stellen ganz zerfallen. Die daselbst befindlichen Keller ließen ebenfalls auf ehemalige Gebäude in dieser Gegend schließen. (Hier stand, an den Gebhardbau anschließend, der „Privilegienkeller“ mit einem Gebäude darauf und daneben „Johanns Kemenate“). Gegen Mittag fanden sich die Reste eines weitläufigen Wohnhauses, ebenfalls von drei Stockwerken. Nach der Inschrift über seiner Haupttür war dieses dasjenige Gebäude, welches von Ludolf XI. nach einem Brande im Jahre 1584 wiederhergestellt worden war. (Es folgten nach Osten Backhaus und Brauhaus). Gegen Morgen hatte ein drittes Wohnhaus (der Bussobau) gestanden, dessen äußere Mauer nur mit einem Teil eines Giebels noch stand.

Die Mitte des von diesem Wohngebäude eingeschlossenen Raumes ward von der alten Schlosskapelle eingenommen. Diese hatte sich noch mit ihrem Gewölbe und ihren sämtlichen Fensteröffnungen erhalten. (Die 1945 noch vorhandenen Mauern sind 58 Fuß lang und 26 Fuß breit). Das Dach und die Giebel waren abgenommen worden. Da sich über dem Kirchengewölbe noch Fensteröffnungen befanden, mögen auch hier noch Zimmer gewesen sein, zu denen man durch den Turm an der Mitternachtsseite gelangte. (Das spätere Archiv). Dieser Turm war unten ein Viereck. Ungefähr 12 Fuß über der Erde verwandelte er sich in ein Achteck, und von da war er wenigstens noch 60 Fuß hoch. Seine Mauern standen (und stehen 1945) gerade und unbeschädigt. An der Mittags- und Morgenseite waren hölzerne, unbedeckte Erker heraus gebaut, auf welchen sich der Sage nach vormals der Hausmann und seine Gehilfen täglich mit Musik hören ließen. Die um die Kirche herum gelegenen Wohngebäude bildeten einen Kreis, und die Mauer, worauf sie mit ihren äußeren Seiten standen, lief ununterbrochen fort. Der zirkelrunde Raum, welchen die Mauer einschloss, hielt ungefähr 190 Fuß im Durchmesser.

Was von Mauerwerk noch vorhanden war, hatte ohne Ausnahme eine solche Festigkeit, dass die Steine nur mit ungewöhnlicher Kraft und Anstrengung voneinander zu trennen waren. Alles besteht teils aus Feld-, teils aus Bruchsteinen. Backsteine sind nur zu Verzierungen gebraucht worden.“


Zusatz des Verfassers:
Die beschriebenen Bauten stammen zwar nicht mehr aus markgräflicher Zeit, doch wurden sie zum Teil auf den alten Fundamenten errichtet. Unter der Kapelle und dem achteckigen Hausmannsturm befinden sich Grundmauern des zerstörten runden Bergfrieds, der der Besatzung im Fall äußerster Not als letzte Zuflucht diente. Der runde Burghof hatte 56 m Durchmesser und 0,75 ha Fläche, die ganze Burganlage 340 m Durchmesser und 6 ha Fläche, von der die eigentliche Burg demnach einen nur geringen Teil einnahm. Als Gesamtanlage ist Calbe neben Tangermünde die bedeutendste unter den altmärkischen Burgen gewesen.


mit freundlicher Genehmigung, entnommen der Chronik "Die Alvensleben in Kalbe - 1324-1945" von Dr. Udo v. Alvensleben-Wittenmoor verfasst 1920-1960 bearbeitet von Prof. Dr. Reimar v. Alvensleben

   
  
 

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