Geschichten über Kalbe Milde
 

 



 
Die Geschichte der Burg zu Calbe an der Milde

(Vortrag von Oberpfarrer Julius Müller vom 14. Februar 1878)

Unter den Denkmälern, welche für die Geschichte unseres Städtleins von besonderer Wichtigkeit und Bedeutung sind, nimmt die Burg ohne Zweifel den hervorragendsten Platz ein. Auf eine etwa tausendjährige Vergangenheit blickt sie zurück. Ihre Anfänge reichen bis in jene Zeit, da mit der Gründung der Nordmark, der heutigen Altmark, der Grund zu der nachmaligen Kurmark Brandenburg, dem Königreich Preussen und dem Deutschen Kaiserreich gelegt wurde.
Nach etwa 7oo jährigem Bestehen ist die Burg den Stürmen des 30 jährigen Krieges, der so vieles Großes und Schönes in unserem Vaterlande vernichtete, zum Opfer gefallen. Seit dem gilt auch von ihr das Wort des Liedes: "Ihre Dächer sind verfallen und der Wind streicht durch die Hallen Wolken ziehen drüber hin!"
Wohl ist, vornämlich seit Anfang dieses Jahrhunderts, neues Leben in den Ruinen erblüht, aber die frühere Herrlichkeit ist dahin.
Wenn die Steine reden könnten, sie würden von vielen Geschlechtern erzählen, die gekommen und geschwunden sind, von ihren Freuden, von ihren Leiden,, aber die Steine sind stumm, und nur bruchstückweise klingt die Kunde aus vergangenen Tagen zu uns herüber, die Kunde von den Geschicken unserer Burg zu Calbe an der Milde.

So wenig, wie ich in meinem Vortrag über die älteste Geschichte von Calbe eine zusammenhängende Darstellung dieser Geschichte von der Entstehung der Stadt anzugeben vermochte, ebensowenig bin ich imstande, ihnen die Geschichte unserer Burg in ununterbrochenen Zusammenhängen vorzuführen, und wenn auch in den beiden letzten Jahrhunderten vor der Zerstörung der Burg die Quellen reichlicher fließen und ein helleres Licht auf die Geschichte der Burg werfen, so werden sie doch, verehrte Anwesende, sich damit begnügen müssen, auf die hervorragensten Punkte in der Geschichte unserer Burg von mir hingewiesen zu werden, vielleicht, daß ich Ihnen doch manches Neue zu bieten habe.

Sicherlich ist der Ursprung unserer Stadt in der Burg zu suchen.
Wie dies ja fast durchweg die Entstehungsart der altmärkischen Städte war, daß sich im Bereich einer Burg Ansiedlungen bildeten, deren Bewohner sich in Notfällen in die Burg flüchten konnten.
Mit größter Wahrscheinlichkeit fällt nun die Anlage unserer Burg in die Zeit des Königs Heinrich I., der eben zum Schutze gegen die jennseits der Elbe wohnenden Wenden eine Menge Burgen erbaute, dem neunten Mann vom Lande sich um die Burg anzusiedeln nötigte, und daher den Namen des Städteerbauers führte.
Markgräfliches Eigentum war die Burghälfte sammt dem dazu gehörigen Gebiet noch am Ende des 12. und wahrscheinlich auch des 13. Jahrhunderts, wie wir später sehen werden.

Wir werden also kaum irren, wenn wir den Ursprung der Burg in die Zeit Heinrichs I. setzen, der von 919 - 936 regierte, sicherlich ist die Anlegung der Burg der Gründung des hiesigen Nonnenklosters vorrangegangen, welches bereits im Jahre 983 von den Wenden zerstört wurde. Auch der Umstand, daß dies Kloster von einer Nonne Gräfin Oda aus königlichem Geschlecht gegründet war, lag die Vermutung nahe, daß die Burg, welche dem Kloster zum Schutze diente, sich in königlichem Besitz befand.
Eine Burg aber gerade an dieser Stelle anzulegen, dazu mochte wohl gerade die natürliche Lage des Ortes Veranlassung geben, an der großen Handelsstrasse von Magdeburg nach Salzwedel und Lüneburg gelegen, war der Ort leicht zu verteidigen, da durch die rings ihn umgebenden Moraste nur wenige Zugangswege führten. Die wohl schon vorhandene Bodenerhebung wurde durch die aus dem herumgezogenen Graben der recht breit und tief war, noch weiter erhöht. Nachher auch, als sich für die Ansiedlung bei der Burg also für die jetzige Stadt die Notwendigkeit der Verteidigung herausstellte, die Milde, damals Rodowe, genannt, zwischen Stadt und Burg hindurch, zugleich auch um die Stadt herumgeleitet.

Urkundliche Nachrichten über die Gründung der Burg sind uns nicht aufbehalten. Auch darüber erwähnen die Geschichtsschreiber nichts, ob bei der Zerstörung des Klosters im Jahre 983 auch die Burg der Zerstörungswut der Wenden zum Opfer gefallen ist oder ob sie erfolgreichen Wiederstand gehalten hat. Auf das Letztere läßt fast der Umstand schließen, daß das Kloster noch wiederholentlich aufgebaut ist, was wohl schwerlich geschehen währe, wenn man nicht gehofft hätte, in der Nähe der Burg einen genügenden Schutz für das Kloster zu finden.
Jener große Kriegszug der Wenden im Jahre 983 war eben nicht der Letzte gewesen, für die Grenzstriche diesseits der Elbe waren noch die folgenden 15o Jahre Zeiten ununterbrochener Kämpfe zwischen den Deutschen und den Wenden, und oftgenug mag in jener Zeit unsere Burg den deutschen Umwohnern Schutz gegen die räuberischen Überfälle der heidnischen Wenden gewährt haben. Die häufige Abwesenheit der Deutschen Kaiser, der zerrissene Zustand des Deutschen Reiches selber, machte es dem damals noch nicht erblichen Markgrafen nicht möglich, auch nur ihre eigene Mark gegen die Einfälle der Wenden recht zu schützen, geschweige denn in deren Landen jenseits der Elbe festen Fuß zu fassen. Das wurde erst anders, als Kaiser Lothar im Jahre 1134 den Grafen Albrecht von Ballenstedt zur Belohnung für seine Verdienste zum Markgrafen der Nordmark einsetzte. Wegen seiner in vielen Kriegen erprobten Tapferkeit erhielt er den Beinahmen des Bären. Ihm gelang es dann auch, die Eroberung des Wendenlandes zwischen Elbe und Oder; im Jahre 1147 nahm er Stadt und Festung Brandenburg ein und nannte sich seitdem Markgraf von Brandenburg. Die Nordmark aber empfing danach den Namen "Altmark“. Erst von dieser Zeit an ist auch die Altmark als ein völlig christliches Land zu betrachten. Wenn auch in den Burgen den nächsten zum Burgwart gehörigen Ortschaften auch in den beiden Jahrhunderten die zwischen Heinrich I und Albrecht dem Bären lagen, das Christentum nicht ausgerottet war. Albrecht der Bär starb nach einem ruhm- und tatenreichen Leben im Jahre 1170. Zwei seiner Enkel, die Markgrafen Otto der II. und Albrecht der II. waren es nun, welche im Jahre 1196 alle ihre Erbgüter und unter ihnen auch die Hälfte des Burgwarts Calbe mit seinen Zubehörungen (mediataten burgwardis Calue cum huis atientiis of. Riedel. cod. dipl. C.1.3.) dem Erzbischof Ludolf von Magdeburg zum Eigenthum übergaben, um sie nach einem Jahr und sechs Wochen von ihm als Lehn wieder zurückzu¬empfangen. Bei diesen von den Geschichtsforschern vielfach behandelten Verträge interessiert uns besonders der Umstand, daß sich unter den überaus zahlreichen übereigneten markgräflichen Gütern auch die Hälfte des Burgwartes Calbe befand.

Die Geschichte des Geschlechtes von Kröchern
Berl. 1865 I,Theil S,112 " Calbe kann er - Droiseko von Kröcher - 1293 noch nicht besessen haben, denn nach 1295 befand sich dieses Schloß im Besitz des Markgrafen Otto; dagegen steht der Annahme nichts entgegen, daß das Schloß Beetzendorf von Droiske schon - zwischen 1286 und 1293 erworben worden ist, warscheinlich aus den Händen der Markgrafen.
Was die Veranlassung zu diesem allen gegeben hat, darüber fehlt jede Nachricht.
Vieleicht hat der pommersche Krieg - an welchem Droiske teilnahm, letzterem den Anlaß gewährt, sich auszuzeichnen und die Beachtung seines neuen Lehnherrn auf sich zu ziehen.
Desweiteren zu vergleichen S 124 uff. wonach der Erwerb des Schlosses Calbe zwischen 1295 und 1304 zu setzen ist. Am 03.März 1304 ist Droiske in castro Calue mit anderen Rittern anwesend und in einer Privatangelegenheit beschäftigt.
Unter einem Burgwart verstand man denjenigen Distrikt, der mit seiner Gerichtsbarkeit zu einer Burg gehörte. Wenn ein Burgwart, wie es bei Calbe der Fall war, sich in den Händen eines größeren Herrn z.B. des Markgrafen, befand, so konnte dieser natürlich nicht die Gerichtsbarkeit selbst ausüben, sondern er setzte dem Burgwart einen Voigt vor, und dann wurde es eine Voigtei genannt.
Solch ein Burgvoigt von Calbe war wohl der in einer Urkunde genannte als Zeuge E. von Kalbe 12o7, von welchem die noch jetzt in unserer Nachbarschaft wohnende Familie von Kalben abstammt ( Saat- und Pflanz - Gut von Kalben in Vienau ) von welcher auch wir zwei Mitglieder in unserer Mitte zu sehen die Freude haben.
Das nächste besonders wichtige Jahr für die Geschichte unserer Burg ist das Jahr 1240. Die damals regierenden Markgrafen Johann I. und Otto III. geriethen vielfach in Mißhelligkeiten mit dem Bischhof von Halberstadt und dem Erzbischof Willibrand von Magdeburg, so daß beide Theile durch Einfälle und Verheerungen einander möglichst zu schädigen suchten.
Solch einen Einfall machten der Bischof von Halberstadt und der Erzbischof von Magdeburg denn auch in dem genannten Jahre in die Altmark und verheerten sie weit und breit. Schnell eilte der Markgraf Johann mit einer geringen Anzahl eigentlicher Kriegsleute der bedrängten Altmark zur Hilfe; brachte in der Geschwindigkeit ein Heer aus dem Landvolke zusammen, welches mit Bogen und Keulen bewaffnet, die schon bis über die Biese zwischen Calbe und Osterburg vorgedrungenen Feinde bei dem Dorfe Gladigau angriff und besiegte, also ein ähnlicher Vorgang wie der im Jahre 1675,wo die altmärkischen Bauern dem großen Kurfürsten zu Hilfe eilten.
Unter den Gefangenen befand sich auch der Bischof von Halberstadt. Der Erzbischof von Magdeburg wurde verwundet entkam jedoch und rettete die Burg von Calbe welche vermutlich schon von den verbündeten Bischöfen vorher eingenommen und zu ihrer Sicherheit mit einer Besatzung beleg't war.
Der Markgraf verfolgte die Geflohenen, eroberte und zerstörte Burg und Stadt Calbe, der Erzbischof entkam aber abermals ( cf, Wohlbrück, Geschichtliche Nachrichten von dem Geschlecht von Alvensleben, I. S. 198).
Bei dieser Zerstörung soll auch die Stadt Calbe ihre Ringmauern verloren haben. Im Anfang des folgenden Jahrhunderts finden wir für kurze Zeit die Burg Calbe im Besitz der Herren von Kröcher, denen damals auch Beetzendorf gehörte( Wohlbrück, Geschichte der Altmark, S.311)
In den vielfachen Kriegen, welche Waldemar, der letzte Markgraf aus dem anhaltinischen Hause, gegen zahlreiche Feinde, besonders auch gegen den König von Dänemark auszufechten hatte, finden wir die damaligen Besitzer von Calbe einige Male auf Seiten der Feinde des Markgrafen, doch scheint bald wieder eine Aussöhnung stattgefunden zu haben, auch ist aus den vorhandenen Urkunden ersichtlich, daß die Herrn von Kröcher eine besonders hervorragende Stellung am markgräflichen Hofe Waldemars eingenommen haben. Droiske von Kröchern verpfändete mit seinen Söhnen Hans, Heinrich und Jordan am 28.August 1320 das Haus zu Calbe (damit ist die Burg bezeichnet) den Rittern und Knappen in der Voigtei zu Tangermünde und den Städten Stendal, Tangermünde und Osterburg für 1200 Mark Silbers, mit der Bedingung, daß er und seine Erben in den nächsten fünf Jahren nach Weihnachten1321 berechtigt sein sollten, dasselbe wieder einzulösen.
Zur Verwaltung des Schlosses während der Pfandzeit wurde von Seiten derer von Kröcher der Ritter Ebel von Lüderitz und von Seiter der Pfandberechtigten Ritter Ebel von Schwarzlosen bestellt, denen man für die Verwaltung jährlich l0 Wispel Roggen, 10 Wispel Gerste und 30 Brandenburgische Pfennige aussetzte. Die Beschirmung des Schlosses wurde den Rittern Friedrich und Heinrich von Schäplitz, nahen Verwandten des Herrn von Kröcher aufgetragen, die als Burgmannen ihre Wohnung auf dem Schlosse nehmen und dasselbe den sämtlichen Pfandinhabern sonst aber niemanden öffnen sollten (cf.Wohlbr. Gesch. Nachrichten pp I. 200 f) Dieser Pfandvertrag muß aber bald durch Übereinkunft beider Theile wieder aufgehoben worden sein, da die Herren von Kröcher sich schon am 12,September 1321 verpflichten konnten, dem Fürsten Heinrich von Mecklenburg mit ihren Schlössern Calbe und Krumpke zu dienen, ihn dieselben jederzeit offen zu halten und sie ihm zuerst anzubieten, wenn sie in die Notwendigkeit kommen sollten, dieselben zu veräußern (Wohlbr. S 2oo) Mit dieser Übereinkunft steht eine andere im Zusammenhang wonach am 16,Juni 1322 sich der Ritter Heinrich von Kröcher, jedoch ohne seine Brüder zu erwähnen, sondern in Gemeinschaft mit Jordan von Gutenswegen und Henning Kletzke verbindlich macht, mit guten Treuen und ohne Arglist dem Erzbischof von Magdeburg zu Diensten zu sein, und zwar, wie es in der Urkunde wörtlich heißt:

"mit dem Huse to Calue, dat in der Mark lüt, nede mit dem werdere nede mit deme Lande, dat dartu hört, wedder allerlegge Man, sunder den von Mekelenborck, den we be Namen udghenommen hebben" (Riedel, Cod. dipl, II.I. 499 f) Diese letzte Ausnahme weist offenbar auf den im Jahre zuvor mit dem Fürsten von Mecklenburg abgeschlossenen Vertrag hin.

Wie die Verpfändung der Burg Calbe im Jahre 132o durch eine Geldverlegenheit der Herren Kröcher veranlasst war, so war es vermutlich der selbe Umstand, welcher sie bewog, das Haus Calbe mit allem Zubehör am 1.Mai 1324 dem Ritter Albrecht von Alvensleben zu verkaufen.
Dessen Familie bis auf diesen Tag, also seit 554 Jahren, in den Besitz von Calbe geblieben ist.
Bei der Wichtigkeit dieser Verkaufsurkunde für die Geschichte von Calbe gestatten sie mir wohl, Ihnen dieselbe vollständig mitzuteilen.
Sie lautet folgendermaßen:

" wir, Hannes unde Heineke, brodherre, geheten von crocher, Riddere, bekennen unde betuginin desseme jegenwerdegen brieue, dar wie hern Albrechte von Aluensleue vnda sinen Sonen Gheuerde vnde Albrechte vnde al sinen rechten Eruen verkoft vnde voghelaten hebbin dat Hus tu Calue mit al deme, dat dar tu hort, tu rechtema Erue, mit holte, also et von alder dar tu hort heft, mit waters. mit Weyde, mit dar Stad tu Calue vnde met deme ackere, die dar tu hort, vnde met den Dorpen, die dar tu horen. Dat sin die Dorp Bune ( Bühne )Gussefelde, Sype, Gedirz (Jeetze) ,Plothe,(Plathe) Brunowe, Pokebusch Hagenowe, Besa, Merin, Vynowo, Horst (Butterhorst), Altmersleue,mit deme Calcsuene, Vorholt, Carstede, Vyane, Golitz, Dolchowe, Molyz, Turiz, und Storbecke (Störpke) mit all den richten und all den schiden des Landes, als et die Margreuen von alderen gehat hebbin, vnde mit al den Molen, di binnen deme Werdere liggen vnde binnen der schiede dem Landes. Dit Gut vnde dessen Dorp, die hir vorbescreuen stan, vnde die Molen vnde al dat hir vorbenumet in hebbet wie dems vorbenumeden hern Albrechte von Aluensleue vnde einem Sonen, vorbemmet, vnde vort alle - sinen rechten Eruen verkoft vnde voghelaten mit erfbede, mit lenbede, mit kornbede vnde mit peneighbede, vnde met allen beden, awo man die benumen mach, vnde met den Kerclenen, also die Margreunen nie hadden, Vype dat alle denen vorbescreuen rede ganz stede vnde vnghanendelet blinen, so hebbe wie deme vorbemuneden hern Albrechto vnde sinen Sonen, die hir vorbescreuen sten, vnde vort all einen rechten eruen dessen brief der op ghegeuenbeseghalt mit vnsen Ingheseghelen, Desser dingh hint tughe her Jan von Amppeene, her Bernard vnde her Werner von der Schulenbuch, her Otto Welle, Busso Walstoue, Phillipus von Ykstede vnde andere gude ludo nuch. Diet is gheschen vnde dessen brief is ghegeuen na der bord Godis dusint Jahr, drihundert jar, in damo vier entwintigsten jare, in sento.

Aus dem Halberstädtischen stammende und zuerst im Jahre 1163 erwähnte edle Geschlecht mit der Geschichte von Calbe in Verbindung, welche seitdem eine ununterbrochene gewesen ist und hoffentlich bis in die fernsten Zeiten bleiben wird. Das das Band zwischen den edlen Bewohnern der Burg und den Bewohnern der Stadt sich zu einem freundlichen und für beide Theile gesegneten Alters her gestaltet hat, dafür lassen Sie mich Ihnen eine Geschichte, aber doch eine Sage erzählen eine Sage, der ich keinen besonderen Platz in der Geschichte unserer Burg anzuweisen weiß als hier, wo wir zuerst das edle Geschlecht derer von Alvensleben mit Calbe in Verbindung bringen und treten sahen. Ich gebe diese Sage, wie ich sie finde:
"Die edle Gemahlin eines Herrn von Alvensleben auf der Burg zu Calbe sei bei nachtschlafender Zeit, als das Haus verschlossen war, von einer Magd, so eine Laterne in der Hand getragen hat, aufgeweckt und mit vielen guten Worten gebeten, einer Frau in Kindesnöten zu Hilfe zu kommen, auch endlich dazu bewogen, jedoch zuvor ermahnt worden, das wenn sie in das Haus käme, sie weder Essen noch Trinken noch auch dasjenige, was man ihr anbieten würde, annehemn,sollte Als sie nun die erbetene Hülfe erzeigete, sei sie unbeleidigt wiederum aufs Schloß geführt. Über eine Zeit aber sei dieselbe Magd zu Mitternacht mit einer Laterne in der Hand wieder gekommen und habe zwei Schüsseln übereinandergestülpt getragen, anbei der Frau von Alvensleben von ihrem Herrn viel Gutes gewünscht und hinzugefügt: Ihr Herr verehre ihr hiermit ein Kleinod nämlich einen köstlichen güldenen Ring als Danksagung für erwiesene Dienste, den sollte sie wohl bewahren, denn solange der selbe Ring ganz und unzerteilt auf dem Hause Calbe und bei dem Geschlecht derer von Alvensleben bleiben würde, solle-es blühen und Glück und Wohlfahrt haben; würde aber der Ring von Händen kommen oder zertheilet werden, so würde es auch demselben Geschlechte unglücklich und nicht wohlergehen" nach diesen Worten sei die Magd verschwunden! (cf Beckmann, histor, Beschreibung der Chur- und Mark Brandenburg 8 Th, IB 9 Conz, p, 54)

Die weiteren Umstände, mit denen diese Sage noch ausgeschmückt ist, übergehe ich, und auch ohne weitere Untersuchungen darüber anzustellen, was in dieser Sage Geschichte und was Dichtung sei, möchte ich doch meine Oberzeugung dahin aussprechen, daß der geschichtliche Kern dieser Sage das Pietätsverhältnis zwischen den Besitzern der Burg und den Bewohnern der Stadt ist, welches von beiden Seiten beobachtet und auch beiden zum Segen gereichte.
Um aber von der Sage zur Geschichte zurückzukommen, will ich nicht unterlassen, zu dem Namen des ersten Burgherrn aus dem Alvenslebenschen Geschlecht auch den Namen der ersten Burgfrau zu nennen:
Die Gemahlin des Ritters Albrecht von Alvensleben hieß Oda, sie führte also denselben Namen, welchen die Stifterin des hiesigen Lorenzklosters, die schon erwähnte Gräfin Oda aus königlichem Geschlechte ,führte, den selben Namen auch, den die Nonne eben dieses Klosters trug Oda die Tochter des Markgrafen Dietrich, welche im Jahre 977 die zweite Gemahlin Miskos, des ersten christlichen Polenherzogs wurde und unter ihrem Volke sich großes Ansehen erwarb und einen gesegneten Einfluß ausübte.
Also drei Frauen mit dem edlen Namen Oda die zur Geschichte unserer Stadt und Burg beitrugen und in engster Beziehung stehen, und jedesmal ein guter Klang, den dieser Name erweckte! Albrecht von Alvensleben ist zwischen den Jahren 1334 umd 1338 verstorben. Seine Söhne, die wir in den letzten Jahren seines Lebens verzeichnet finden sind Albrecht II. und Friedrich im Besitze des stolzen Hauses Calbe. Länger als ein Jahrhundert lang fließen die Ouellen für die Geschichte der Burg sehr spärlich. Im Jahre 1381 sollen nach dem Bericht einer alten Magdeburger Chronik(Wohlbrück, a.a.O.I-P,302 ) die Herren zu Calbe, weil sie Feinde der Stadt Magdeburg auf ihrem Schloße in Schutz genommen hatten, von den bewaffneten Bürgern dieser Stadt Magdeburg abgegriffen worden sein, die näheren Umstände sind aber nicht bekannt.

An den Höfen und in den Kriegslagern der brandenburgischen Fürsten nahmen die Burgherrn von Calbe keine unbedeutende Stellung ein; ein `Gebhard von Alvensleben wurde am Neujahrstage 1370 mit dem Marschallamte der Mark Brandenburg belehnt; ein Ludolf von Alvensleben wohnte im März des Jahres 1420 unter Anführung des ersten Kurfürsten aus de mHause Hohenzollern, Friedrich II. der Belagerung des Schlosses Angermünde in der Uckermark bei, welches damals die Herzöge von Pommern im Besitz hatten. Nach der Eroberung wurden die jenigen Befehlshaber des brandenburgischen Heeres, welche sich durch Tapferkeit ausgezeichnet hatten, zu Rittern geschlagen und unter ihnen befand sich auch Ludolf von Alvensleben (Wohlbrück a.a.O. S.397).Er war es auch, welcher gegen das Ende seines Lebens, um das Jahr 143o,noch einmal zum alleinigen Besitze des Hauses Calbe mit seinen Zubehörungen gelangte (Wohlbr. S.400) was nachher nie wieder der Fall gewesen ist. Er starb um das Jahr 1444 und hinterließ 3 Söhne, Ludolf, Busso und Gebhard; sie besaßen Calbe gemeinschaftlich, als aber Ludolf im Jahre 1478 gestorben war, kamen seine beiden jüngeren Brüder überein, mit den Söhnen ihres verstorbenen Bruders Ludolf im Jahre 1477 am 27. Oktober dahin überein, daß sie sich in die Gebäude auf der Burg theilen, sodaß Busso ein Drittel, Gebhard ein Drittel und Ludolfs Söhne ebenfalls ein Drittel des Ganzen erhielten. Die Unterhaltung des Thurmes, der Thore, der Phorthäuser, der Steinwege und der Brücken vor der Mühle blieb den sämtlichen Theilhabern gemeinschaftlich ( Wohlbr, 11.S.88).

Wichtiger war das unter dem 17. Februar 1494 von denselben Interessenten geschlossene Übereinkommen, wegen der Burg Calbe, welches unter dem Namen des 1. Calbischen Burgfriedens bekannt ist, und die Verwahrung der Burg und die gemeinschaftliche Unterhaltung der Burgkapelle und des Sichenhauses außerhalb der Burg ( heutiger Sichengang mit kleinem Haus) zum Gegenstand hatte. Nach diesem Beschlusse sollten stets ein in Eid und Pflicht genommener Rittermäßiger Mann oder wenigstens ein redlicher und treuer Diener zur Oberaufsicht über die Verwahrung der weitläufigen Burg gehalten werden, Dieser Burgvoigt sollte dahin sehen, daß die Burg des Nachts gehörig verschlossen gehalten und bei Tage gut verwahrt würde. Ihm sollten zwei Pförtner, welche das obere Pforthaus und das Thor bei Tage zu verwahren, und des Nachts abwechselnd zu wachen hätten, zwei andere Pförtner zur Verwahrung der beiden unteren Thorhäuser und ein Hausmann auf dem Thurme untergeordnet sein.
In Fällen, da die sämtlichen auf der Burg wohnenden Herren von Alvensleben zum Dienste des Landesherren ,oder um Hochzeiten und anderen Gastmahlen beizuwohnen, die Burg verlassen müßten, sollten dem Burgvoigt zwei bis drei treue und wehrhafte Bürger aus dem Flecken zu Calbe zugeordnet werden, und diese Art von Diensten sollte unter den dazu geeigneten Bürgern der Reihe nach umgehen. Wenn sich aber die Besitzer der Burg nur nach dem Flecken Calbe, entweder zur Kirche oder zu Großmählern oder zu Festen begeben möchten, so sollten zwei von ihren eigenen Leuten/Knechten auf der Burg belassen werden, um die Brücke aufzuziehen und die Burg zu verwahren, bis einer der Besitzer wieder zurückkäme. Die Unterhaltung dieser Personen und Anstalten sollte nur denjeneigen Theilhabern, welche auf der Burg wohnen würden, obliegen.
Dagegen sollten diese auch zu dem genannten Zwecke gewisse Nutzungen beziehen. z.B. die Vogtmühle mit dem Aalkasten, die Mühle vor der Burg mit dem Aalkasten, die Windmühle, gewisse Gräben und Teiche, auch die Gänse,welche die Einwohner von Neuendorf am Damm und Carritze freiwillig zum Geschenk brachten, damit ihre Gänse nicht, wenn sie auf Calbisches Gebiet kamen, von den Knechten der Herren von Alvensleben geschlachtet würden. Um die Burgkapelle mit Wachs und Oel (für Kerzen) für die stets brennende Lampe für immer zu versorgen, so wurden zu diesem Behufe bestimu Einkünfte angewiesen z.B. 2 Mark Stendalsche Münze Holzgeld aus Vahrebholte, der Zins von der Wiese "by der Netbrügghe"" de Hans Koch heft" vieleicht ein Vorfahre der Kochs, die die Windmühle(die Letzte) auf dem Mühlenfeld hatten.

Aus dem Jahre 1549 hören wir die Notiz, daß an den Gräben und Wällen gebaut wurde(Wohlbr. 8 S.324) im Jahre 1552 aber am16,Januar wurde von den sämtlichen Herren von Alvensleben schwarzer Linie wegen des Hauses- Calbe ein neuer Burgfriede errichtet. Von der Umgebung des Schlosses wurde das Siechen¬haus, der ganze bis gegen die Marienkirche hin sich erstreckende Platz, auf welchem die Vorwerke liegen(lagen) und alles, was sich innerhalb der zur Befestigung des Schlosses dienende Gräben befand, mit in das Burgfriedensrecht gezogen. Hier, wie auf dem Schlosse selbst, sollte jeder Theilhaber, sofern er den Burgfrieden angenommen hatte und auch beschworen für sich und die Seinigen für seine Dienerschaft und für alle, die er bei sich aufnehmen würde, eine völlige Sicherheit genießen. Innerhalb dieser Grenzen sollte die Zwietracht sich durch Gewalttätigkeiten nicht äußern, in kränkenden, ehrverletzenden Worten nicht laut werden. Jedem Herrn von Alvensleben, der zum Hause Calbe gehört, sollte die Burg stets offen stehen, keinem durfte von einem anderen, mit dem er in Mißhelligkeit liege, und lebe, der Eingang versperrt werden. Würden alle gemeinschaftlich von einem feindlichen Angriff bedroht werden, so sollten sie sich auf der Burg versammeln, zum Widerstande Vorkehrungen treffen und die Kosten gemeinschaftlich tragen, Dieser Burgfrieden wurde von allen, welche denselben errichte hatten, förmlich beschworen, und sollte künftig von jedem zum Hause Calbe gehörenden männlichen Mitglied der Familie nach zurückgelegtem 21. Jahre ebenfalls beschworen werden. Wer sich dessen weigern würde, dem sollte weder auf der Burg noch auf den dazugehörenden Gütern zu wohnen von statten sein.
Wegen Verwahrung der Burg wurden zugleich folgende Gesetze gemacht: Wenigstens einer der Mitbesitzer sollte auf dem Schlosse seine ständige Wohnung und Haushaltung haben.
Bei einer über 8 Tage dauernden Abwesenheit sollte derselbe einen Lehnsmann an seiner Statt auf die Burg fordern, der daselbst seine Zurückkunft abwarten solle.
Die Burgschließerstelle sollte jederzeit mit einem Büchsenmeister (einem Artilleristen) besetzt werden, der den sämtlichen Herren der Burg Treue gelobt hatte. und zur sorgfälltigen Verwahrung des Schlosses verpflichtet worden währe. Diesen Mann sollten die Herren bei Ehren und Ansehen erhalten, mit Sonnenaufgang sollte die Burg geöffnet, mit Sonnenuntergang sollte sie wohl verschlossen werden. Bei dem Öffnen sowohl wie bei dem verschließen sollte dem Burgverschließer von dem haushaltenden Herrn ein Knecht zugegeben werden, und der Herr sollte die Schlüssel in eigener Verwahrung haben. Die verschlossene Burg sollte nur im höchsten Notfalle wieder geöffnet werden dürfen. Gewisse Einkünfte sollten zur besseren Befestigung der Burg und zur Unterhaltung der Gräben, Mauern und übrigen Befestigungswerke verwandt werden (Wohlbrück S. 325 ff).

Dieser Burgfriede wurde vom Kurfürsten Joachim II., sowie von den späteren Kurfürsten bis zu Georg Wilhelm bestätigt. Hier ist nun auch der Ort, an welchem die Sage zu erwähnen ist, welche sich an ein in unserer Kirche befindliches Grabdenkmal anknüpft. Dasselbe stellt einen Ritter dar, welcher kniend die Hände zum Gebet falten will. Diese Hände aber sind abgehauen und liegen in dem vor ihm stehenden Helm. Ihm gegenüber, ebenfalls kniend, befindet sich seine Gemahlin zwischen beiden ihr Söhnlein.
Die Sage läßt diesen Ritter einen Burgherrn sein, welcher, in der Burg belagert, sich auf Gnade und Ungnade den Feinden habe ergeben müssen. Diese haben ihm als dann die Hände abgehauen. Das ist die Sage.
Aber die unter dem Sims des Denkmals befindliche lateinische Inschrift läßt keinen Zweifel über die durch das Denkmal bezeichneten Personen.
Der Ritter, welchen das Denkmal darstellt, ist Ludolf von Alvensleben, am 25,Januar 1546 auf der Burg zu Salzwedel geboren, wo sein Vater, auch ein Ludolf von Alvensleben, als Amthauptmann wohnte. Ich bemerke gleich, daß auch seines Vaters Asche in unserer Kirche ruht. Sein Grabmahl ist jetzt von dem Orgelchor größtenteils verdeckt. Der jüngere Ludolf besuchte bis zu seinem 16. Lebensjahr die Stadt Schule in Salzwedel, im Jahre 1562 bezog er die Universität in Frankfurt /Oder. Dazwischen ging er einigemale in den Krieg nach Frankreich und den Niederlanden. Vom Jahre 1573 an übernahm er die Bewirtschaftung seiner Güter, welche in einem Theil des Hause.s Calbe und in den Gütern Zichtau, Gr. Engersen, Plathe, und Badingen bestanden. Sein Wohngebäude der hiesigen Burg, welche von seinem Urgroßvater, dem Ritter Busso von Alvensleben, im Jahre 1483 erbaut worden war, hatte das Schicksal, eben im hundertsten Jahre seines Bestehens, am 14.September 1583 durch eine Feuersbrunst zerstört zu werden. Ludolf baute dasselbe wieder auf und sah es am 15.Mai 1584 völlig hergestellt Auch ließ er die Kirche zu Zichtau ausbauen und neu verzieren. Auch die Kirche in Bismark beschenkte er mit einer neuen Orgel, zu Groß Engersen erbaute er seiner Gemahlin einen anständigen Wittwensitz.
Er führte den Beinahmen des "Reichen, des "Stolzen" weil er viele Güter besaß und einen angemessenen Aufwand machte, des "Rothen" weil sein Bart und seine Haare rötlich waren. und des "Bösen", teils weil er als Gerichtsherr mit Strengeüber Recht und Ordnung hielt, theils weil er seiner Temperamentssätze nicht immer Herr war. Dieser Schwäche wegen zeigte er sich als ein übrigens redlicher und wohlwollender Mann, oft mit sich selbst sehr unzufrieden.
Er starb zu Zichtau am 17. Juli 1589 im 44. Jahre seines Lebens und wurde am 30. des Monats in der hiesigen Kirche beerdigt. Seine Gemahlin, mit welcher er sich am 23, Januar 1575 vermählt hatte, war Anna von der Schulenburg, Sie starb als Wittwe zu Groß Engersen am 19,April 16o4 und wurde neben ihrem Gemahl beigesetzt. Das Kind beider, ein Sohn namens Ludolf, war im Dezember 1575 geboren worden und starb schon im März des folgenden Jahres. Das ist das Geschichtliche, woher aber die Sage? Sie ist meines Erachtens lediglich durch das Grabmonument in der Kirche zu Calbe an der Milde hervorgerufen ‚man suchte nach einem Erklärungsgrunde nach bzw. für die danebenliegenden Hände und erdichtete die Sage, die vielleicht eine volkstümliche Andeutung des vorher erzählten Beinahmen des Bösen ist; fragen sie aber, woher dann die Hände im Helm herrühren, so gibt es dafür einen sehr einfachen, manchem freilich sehr trivialerscheinenden Grund: Der Marmorblock, aus dem die Statue gefertigt wurde, war nicht groß genug, als daß der Bildhauer auch noch die Hände heraus-meißeln können, er war also genötigt, sie anzusetzen, später hat sich der Kitt gelöst ,man legte sie in den Helm, wo sie noch heute liegen. - Von einer Belagerung der Burg zur Zeit dieses Ludolf von Alvensleben findet sich auch nicht die geringste Spur. Ich komme nun zu dem letzten Abschnitt der Geschichte unserer Burg, welcher mit der Zerstörung derselben abschließt.

Es war im Jahre 1625, also sieben Jahre nach Ausbruch des dreißigjährigen Krieges,als auch die Altmark von der großen Gefahr bedroht wurde, ein Schauplatz des verderblichen Krieges zu werden. Unter dem 19.Oktober des Jahres 1625 erließ daher der Kurfürst Georg Wilhelm von Brandenburg einen von ihm eigenhändig unterschriebenen und im Archiv des I. Gutes noch vorhandenen Befehl an die sämtlichen Besitzer des Hauses Calbe, dieses Schloß umgehend in einen Verteidigungszustand zu setzen und alles anzuwenden, damit dasselbe nicht zum Verderben der ganzen Provinz von fremden Truppen eingenommen werden könne.
Die Herren von Alvensleben stellten zuvor ihr Unvermögen vor, das Schloß bei der damaligen Art, Krieg zu führen gegen große Gewalt allein zu schützen und baten daher um militärische Unterstützung allein sie erhielten keinen Bescheid. Als die Gefahr immer näher kam, versammelten sich am 28. November die Interessenten und Vertreter der von Alvenslebenschen Besitzungen auf dem hiesigen Schloß, um mit Ludolf von Alvensleben, dem damaligen Senior des Geschlechtes, sich über die zu ergreifenden Maßnahmen zu besprechen. Der Beschluß fiel dahin aus, daß ein kriegserfahrener Mann in Bestallung genommen,werden solle, um solange es die Umstände erfordern würden, den Befahl über die Besatzung des Schloßes zu führen. Diese Besatzung sollte aus 30 Mann bestehen, welche man vorzugsweise aus dem Gerichte Calbe und deren Untertanen anfördern wollte. Dem zu bestellenden Hauptmann welchem neben freier Wohnung und freiem Tisch auf der Burg Calbe ein Jährliches Gehalt von l00 Talern bestimmt wurde, sollte es überlassen sein, aus diesen Calbenser Untertanen einen Sergeanten und einen Corporal zu wählen.
Zu der Besoldung der Mannschaft wollten die Besitzer des Hauses ein Drittel beitragen, zur Aufbringung der anderen zwei Drittel hofften sie die Untertanen freiwillig bereit zu finden. Was der bestellte Hauptmann wegen der Ausbesserung der Wälle und Anlagen sowie der Anlegung der Brustwehr nöthig finden würde, das sollte unverzüglich, soweit es die Witterung in der damaligen strengen Jahreszeit zulassen würde, ausgeführt werden. Die auf dem Schloß befindlichen sechs Metallstücke beschloß man mit neuen Kasten, neuen Rädern, mit Löfeln, Wischern und anderen Erforderniseen zu versehen. Zur Aufsicht über dieselben und über die Munition sollte ein geschickter Büchsenmeister angenommen werden. Hundert eiserne, geschmiedete oder gegossene Kugeln, 2 Centner Büchsenpulver, 3 Ctr, Stückpulver, 5o Musketen, 2 Ctr, Lunten, 2 Ctr. Blei, 25 halbe Picken oder Springstöcke, zwölf ganze Picken und 25 Helebarden sollten eiligst angeschafft werden, überall wo es nöthig war, vor der Folken Schanze, auf dem Langen Damm nach Bismark und an der Wernstedtschen Furt sollten Schlagbäume errichtet und die Bretter auf allen Brücken sollten durchbohrt und mit Holzpflöcken also befestigt werden, daß man sie jederzeit, wenn es die Noth erforderte, gechwinde wegtun konnte. Zur Verwahrung der engsten Pässe auf dem Nonnenwerder, Vossdamm, bei der Wassermühle auf der Pulle - Brücke und vor dem Hause selbst sollten sobald als möglich Zugbrücken angelegt werden, und der Anfang bei der Pulle -Brücke gemacht werden. Nötigenfalls sollten bei dringender Gefahr die um das Schloß herum und bei der Wassermühle stehenden Weiden, auch die Gartenzäune vor dem Schloße weggeräumt, auch sollte die Milde bei dem Grashofe oder was sich sonst schicken sollte, durchgestoßen werden. Den Fischern sollte in des zu bestellenden Hauptmanns Beisein befohlen werden, ihre Kähne wegzutun und an den Bürgerwall zu führen, sie auch zu keiner Zeit bei der Mühle stehen zu lassen, sonst sollte jener sie zu bestrafen die Macht haben. Dieser Verabredung gemäß wurde vom Neujahrstag 1626 Joachim Flethran als Capitän oder Hauptmann auf ein Jahr angenommen, auch von dem selben Tage an Jacob Gewillt zum Sergeanten bestellt, ihm auch das Constabler oder Büchsenmeisteramt übertragen; die Vereidigung fand am 19,Januar 1626 statt. Auch die Namen der 30 Soldaten, welche ja zum größten Theile aus Calbe waren, und unter denen sich 2 Corporale und 1 Trommelschläger befanden, sind noch aufgeschrieben und vorhanden. Ich beschränke mich darauf, einen Mann aufzuführen, den des Hans Ehrenhold,so lautete damals der Name, der jetzt Arnold geworden ist. Doch die getroffenen Vorkehrungen waren zu gering, als daß sie dem nun heranrauschenden Kriegsstrom irgendwelchen Widerstand hätten leisten können. Im Februar des Jahres 1626 rückten die Truppen des von den Ständen des niedersächsischen Kreises zum Kriegsobersten gegen die Macht des Kaisers erwählten Königs von Dänemark auch in die Altmark ein. Calbe wurde, nach voraufgegangenen Verhandlungen, in denen der dänische General von Fuchs erklärte, er käme als Freund und nicht als Feind, würde aber, wenn auch nur ein Schuß aus der Burg auf seine Truppen abgegeben würde, die adligen Vorwerke sowie den Flecken Calbe sofort niederbrennen, ohne Schwertstreich von dem dänischen Hauptmann Julius Christian Lex besetzt.
Die Beschützer waren von ihrem Benehmen her wenig von den Feinden zu unterscheiden. Die Besatzung von Calbe durchzog mehrmals die umliegenden Dörfer, um zu nehmen, was sich fand und sie brauchen konnten. An den Kurfürsten gingen Wiederholentlich Bittschriften um Hülfe ab. Am 3. September 1626 zog die dänische Companie Fußvolk davon und darauf legten der brandenburgische Oberstlieutnant über die Armee in der Altmark, Adam Valentin Redern auf Wolterslage, einem kurfürstlichen Befehl vom 10/20. September gemäß, 5o Mann von seiner und des Hauptmann von Wins Companie auf das Schloß. Zu Anfang des November wurde nöthig befunden, dasselbe und die dabei errichteten 7 Radouten mit der ganzen Redernschen und der ganzen Domnitzschen Companie zu besetzen.
Die Löhnung dieser Truppen mußte von den Besitzern des Hauses Calbe und von den Untertanen aufgebracht werden. Von dieser Zeit an blieb das Haus mit brandenburgischen Truppen bis zum 12, August 1630 besetzt, da es von den Dänen unter dem Befehl des Obersten Hendrik (Heinrich) Holke und mittels einer von dem Hauptmann Helling gebrauchten Kriegslist eingenommen wurde. Im Folgenden Jahr fand eine vierwöchentliche Belagerung der Dänen in der Burg seitens der Kaiserlichen statt, aber auch diese wurden von den Schweden vertrieben. Dann am 14.Oktober 1631 fing der in der Elbschanze bei Werben liegende schwedische Oberst Friedrich von Rossow an, das Schloß mit zwei Companien zu Pferde, einer Companie Dragoner und einer Companie Fußvolk einzuschließen. Der kaiserliche Hauptmann Hans Friedrich Hanke vom Regimente Lichtenstein zeigte sich anfangs sehr standfest, wies jeden angebotenen Vergleich ab und erklärte, das Schloß bis auf den letzten Mann verteidigen zu wollen. Nochmals erbot er sich dasselbe zu versichern, wenn der Besatzung ein freier Abzug mit allem Gepäck, fliegender Fahne und gerüertem Spiele verstattet würde. Dieser Antrag wurde zurückgewiesen der Oberste von Rossow verlangte eine unbedingte Ergebung. Drückende Hungersnoth bewirkte endlich, daß der Hauptmann Hanke mit einem ihm zugestandenen Abzuge nach gestrecktem Gewehr zufrieden war. Dieser Abzug erfolgte am 20 und 21. November 1631, worauf die meisten Offiziere und fast alle gemeinen Soldaten in schwedische Dienste traten. Auf diese Belagerung beziehen sich mehrere Notizen im Calbenser Kirchenbuch; nach der einen ist am 11.November 1631 die Frau des Voigtes Andreas Giese begraben, welche durch eine Kugel von der Burg getroffen und getötet wurde, nach einer anderen Notiz ist am 21, November der Nagelschmied von Gardelegen begraben, welche zweimal mit zwei Kugeln durch dem Arm geschossen war, am 23, November endlich sind drei Kindlein getauft, derer Soldaten, die von der Burg kommen, eines Heine, eines Christoffel, das dritte Anna Sybilla genannd, sein sollen seit vier Wochen in der Burg gelegen - ungetauft Beiläufig sei hier bemerkt, daß am 4.November desselben Jahres, also auch in der Zeit dieser Belagerung, ein alter Kuhhirte im Alter von 1o9 Jahren begraben wurde. Die schwedische Besetzung, welche jedoch nur aus 5o - 6o Mann bestand, blieb darauf im Besitz des Schlosses bis zum 27.Juli 1632, da sie freiwillig abzogen.

Unterdessen war bei Hofe der Beschluß gefasst worden, das Schloß Calbe, dessen dasein der Provinz unter den obwaltenden Umständen nur zum Nachteil gereichte, abtragen zu lassen. Die Besitzer machten zwar am 17,Juni Gegenvorstellungen, wobei sie unteranderem anführten, daß der Wall kaum hinreichen würde, den dritten Teil des Grabens zu füllen, allein am 16 Juli erfolgte anstatt einer Antwort ein gemessener Befehl, die Abtragung auszuführen, sobald die schwedische Besatzung abgezogen sein würde, und am 19, August 1632 wurde damit von den dazu aufgebotenen Landleuten aus dem ganzen Calbischen Gerichts der Anfang gemacht, Unter dem 5.November des Jahres 1632 ist im Kirchenbuch vermerkt, daß eine Frau begraben sei, so bei Demolierung des Walles alhie zu thot gefallen!
Sehr zu bedauern ist, daß man vor dieser 'Zerstörung des Schlosses weder eine Zeichnung, noch eine Beschreibung desselben aufgenommen hat, Oder sollte sich doch ein Schriftsteller des vorigen "Jahrhunderts(Beckmann, Bd, V, 1.9.59) Recht haben, welcher die Mittheilung macht, daß in den rathäuslichen Nachrichten ein Bildriß der Burganlage in Kupferstich vorhanden sei?

Inzwischen ist durch eine Nachricht von den Ruinen, man weiß nicht, in welchem Jahr, aufgesetzt worden, die sich erhalten hat. Nach derselben gelangte man auf das Schloß durch einen einzigen Damm, welche zwischen der Milde und dem Burggraben bis an eine Zugbrücke fortlief, indem man über diese erste Brücke ging, erblickte man unter sich einen ganz verwachsenen Graben, welcher ohne Zweifel bei der Zerstörung des Schloßes mit dem ehemaligen, zwischen der Burg und dem großen Graben befindlich gewesenen Walle zugeworfen war. Um jenen äußeren Graben ging ein Wall nach den Wiesen, von deren Ende ein Fussteig zu einigen Hopfengärten führte. An diesem Fußsteig, der Burg gegen Morgen, bemerkte man einen länglich runden Platz mit einem kleinen Graben und Wall, wo eine Art von Außenwerk gestanden zu haben schien, auch fanden sich an dieser Rundung noch Überbleibsel eines aus großen Feldsteinen bereiteten Mauerwerkes. Dem Anscheine nach war dies Werk dazu bestimmt gewesen, den Übergang über den Damm zu verhindern. Vielleicht war es die " Uhlenburg" deren in dem I.Calbischen Burgfrieden von 1494 gedacht wird. Und diese "Uhlenburg" war vieleicht in alten Zeiten der Wohnsitz der Calbischen Burgmänner. Hinter dem ersten Burggraben befand sich der erste, nun gänzlich geebnete und in Hopfengärten verwandelte Wall, welcher sich rund um die Burg zog. Hierauf kam ein breiter, sehr tiefer moorastiger Graben dessen Breite 5o - 6o Fuß betrug (1 Fuß = 0,3048m) und über welchen nach der Mitternachtsseite hin eine Zugbrücke führte. Da derselbe durch einen Canal mit der Milde zusammenhing, so konnte es ihm an Wasser nie fehlen. Die Erde aus diesem Graben war, wie der Augenschein zeigte, erforderlich gewesen, um in der hier überall, herrschenden Niederung eine solche Erhöhung zu bilden, wie die ist, auf welcher die Burg stand. Von dem großen Graben an bis zur Ringmauer war der abgetragene große Wall, an dem meisten Stellen 100 und mehr Meter breit, befindlich. Setzte man seinen Weg über die zweite Zugbrücke fort, so gelangte man durch ein Thor, welches mit einem Fallgatter versehen war, wie man an den großen Feldsteinen erkannte in deren Rinnen die Zapfen liefen. Auf beiden Seiten standen starke Mauern und Rondelle mit Schießscharten. Weiter hinauf befanden sich noch zwei starke Tore, und ehe man völlig in die Burg trat, sah man den Grund der Pfeiler eines vierten, bereits gänzlich verfallenen Tores. An diesem Zur linken Hand stand ein altes,von der Burg abgesondertes, ein längliches Viereck ausmachendes Mauerwerk, welches der untere Theil eines ehemaligen Wachturmes war. Trat man endlich in den inneren Raum der Burg, so lag zur rechten Hand ein tiefes Gewölbe in einem Rondel, welches nun zu einem Gefängnis gebraucht wurde und wahrscheinlich auch ehemals dieselbe Bestimmung innehatte. Ober diesem Gewölbe nach Mitternacht hin ( in Richtung Goslers Schloß) stand ein Gebäude mit dicken Mauern und von drei Stockwerken hoch, dessen beide sehr hohen gespitzten Giebel nebst den Seitenmauern noch vorhanden waren. Aus dem ersten Stockwerke waren zwei unbedeckte Erker herausgebaut. Nach deutlichen Anzeigen war dies Gebäude dasjenige, welches Gebhard von Alvensleben im Jahre 1472 erbaut hatte(. off V:ohlbrück.Gesch.Nachr. pp.II,S112)
Es schien seiner Bauart nach das älteste Bauwerk gewesen zu sein, wie es auch das Festeste war. Nirgens sah man so sparsam Fenster angebracht, auch kaum Fensteröffnungen, als an der äußeren, über der Ringmauer stehenden Seite dieses Gebäudes. Ohne Zweifel darum, weil die Burg von der nach dem Damm gekehrten Seite am ehesten angegriffen werden konnte. Gegen Abend waren keine Überbleibsel irgendwelcher Gebäude mehr zu sehen, bzw. mehr vorhanden, und die Mauern waren auf dieser Seite völlig bzw. meistens ganz zerfallen.
Die aber dort noch vorhandenen Keller lassen aber ebenfalls auf ehemalige `Gebäude in dieser Gegend schließen. Gegen Mittag fanden sich die Reste eines weitläufigen Wohnhauses von ebenfalls drei Stockwerken. Nach der Innschrift über seiner Hausthüre. war dieses dasjenige Gebäude, welches wie schon früher erwähnt wurde, von dem reichen Ludolf, dem angeblichen Ritter mit den abgehauenen Händen, im Jahre 1584 nach einer Feuersbrunst auf der Burg wieder hergesteIlt wurde. Gegen Morgen hatte ein drittes Wohnhaus gestanden, dessen äußere Mauer nur mit einem Theile eines Giebels noch stand. Die Mitte dieses von den beschriebenen Wohnhäusern eingeschlossenen Platzes ward von der alten Schloßkapelle eingenommen. Diese hatte sich noch mit dem Gewölbe und ihren sämtlichen Fensteröffnungen erhalten.
( 1 Eingang, 5 Fenster, Gebäude ist 58 Fuß lang und 26 Fuß breit ) Das Dach und die Giebel waren abgenommen worden.- Da sich über dem Kirchengewölbe noch Fensteröffnungen befanden, so mögen auch hier noch Räume gewesen sein, zu denen Man nur durch den von der Mitternachtsseite befindlichen Thurme gelangen konnte. Inzwischen wissen wir, daß sich über der Kapelle das Archiv sowie die Bibliothek befunden haben.
Dieser Thurm war unten ein Viereck, ungefähr 12 Fuß über der Erde verwandelte er sich in ein Rechteck, und von da aus war er noch ungefähr 6o Fuß hoch, Seine Mauern standen sehr gerade und unbeschädigt. An der Mittags- und Morgenseite waren hölzerne überdeckte Erker herausgebaut gewesen, auf welchen sich der Sage nach vormals der Hausmann und seine Gehülven täglich mit Musici hören ließen. Die um die Kirche herum gelegenen Wohngebäude bildeten einen Kreis, und die Mauer, auf welcher sie mit ihrer Außenseite standen, lief ununterbrochen fort. Der zirkelrunde Raum, welchen die Mauern einschloßen, hielt ungefähr 190 Fuß (= ca 58 m ) im Durchmesser. Was vom Mauerwerke noch übrig war, hatte ohne Ausnahme eine solche Festigkeit, daß die Steine nur mit ungewöhnlicher Kraft und Anstrengung voneinander zu trenne waren.
Soweit der etwa aus dem Anfang des vorigen Jahrhundert stammende Bericht
( Für die ganze Darstellung der Geschichte der Burg vom Jahre 1625 an ist Wohlbrück, Gesch. Nachrichten pp.II. 116 - 127 maßgebend gewesen).

Eine andere Beschreibung der Burgruine stammt aus dem Jahre 1766 und bildet einen Theil der Urkunde,welche in dem genannten Jahre von dem Inspekteur (dh,Superintendenten) Supert dem damaligen zu reparierenden Thurmknopf der Kirche einverleibt wurde. Diese Beschreibung stimmt im Großen und Ganzen mit der vorher mitgeteilten überein; immerhin aber theilt sie manches mit, was die erstere nicht hat, und es dürfte daher von Interesse sein, in welchem Zustande sich die Burgruine vor nunmehr 122 Jahren, also im Jahre 1756 befunden hat. In der genannten Urkunde heißt es:
Mit dem äußerten Wall, der jetzt als Hopfengarten dient, ist der sogenannte Krumme Graben zugedammet, worden. Vor Zeiten haben drei Herren Gebrüder, Gebhard, Busso und Ludolf, von Alvensleben darauf gewohnet, wovon jeder ein eigenes Wohnhaus mit dazugehörigen Nebengebäuden gehabet, von denen das Erste rechter Hand als Ruine erhalten ist. In einem kleinen Stein über eine Thüre steht in Mönchs -Schrift : MCCCCLXXIX, Gevert von Alvensleve.Polita uxor. welches eine von Bütow, weil inwendig in einer Nische zum Cumin das Alvenslebensche und das Bütowsche Wappen befindlich noch seine Fensterlöcher, das andere hinter der Capelle hat über der Thüre linker Hand in einem etwas beschädigten Stein in Mönchs Schrift folgendes: Anno Dm. MCCCCLXXXIII vigilue crucis Boshe van Alvensleve Ritter motto uxore v.... das übrige ist leider abgebrochen; unten findet sich das Alvenslebensche und das Altensche Wapen . Über der anderen Thüre danneben stehet in leserlichen großen lateinischen Buchstaben: Anno 1584 den 15.May hat Ludolph van Alvensleben . L!S!S! nechst göttlicher Hülfe dieses Haus, welches zuvor Ao. 1483 duch Busho von Alvensleben erbauet; und Ao.1583 durch ein unversehnl. Feuer gäntslich abgebrennet gewesen, wieder aufgebauet. Hierüber steht das Alvenslebsche und das Schulenburgsche Wapen .... dergleichen hat auch noch das dritte zur linken Hand ...hat ausser denen Fenster -Löcher in der äußersten Wand , keine Giebel mehr, Überhaupt befindet sich unter den Ruinen dieser Wohnhäuser annoch die besten Keller, so noch sehr brauchbar sind. In der Mitte des Hoffes stehet die Capelle, deren Gewölbe noch da ist. ob es gleich hat unterstützet werden müssen. Über dieser Capelle soll der Saal zur Bibliothek gewesen sein, davon noch die Fenster zu sehen sind, Hart an dieser Capelle, hart nach Mitternacht steht ein sechseckiger hoher Thurm annoch unversehrt bis unter das Dach, durch den man zu dem Saale über der Capelle kommen konnte. Aus demselben sind zwy Balcons von-Holtze heraus gebaut gewesen, worauf die Stadt -Musicanten des Mittags haben musicierei müssen. Wovon die Stützen noch herausragen. Unter diesem Thurme ist ein Loch, so vieleicht zu einem Gefängnis gedienet haben könnte. Man gehet nach derselben ( Thurm/Capelle) über eine kleine Zugbrücke. Gleich vorne ist ein Rondel mit Schieß - Scharten, so mit einer Fallthüre versehen gewesen, von deren Zapfen noch die Steine in der Mauer zu sehen sind. Hier ist linker Hand des Voigts Wohnung mit der Block Kammer, einem Behältnisse für Deliquenten. An diesen ist ein Gewölbe von dreyen Schwieb Bögen, davon jeder mit einem starken Thore verwahret werden können, wovon noch eines vorhanden ist. Hinter diesem ist linker Hand das Wacht Haus gewesen, und rechter Hand ist noch unter einem Gewölbe das gewöhnliche Gefängnis für alle Arten leichter Verbrechen.
Gegenwärtig sind in kleinen Häusern Einlieger darauf beschäftigt, den Wall theils zu Gartenland, teils zu Bleich-Plätzen zu gebrauchen, zu welchem er besonders wegen des rund herum befindlichen sehr tiefen Grabens brauchbar ist. Das war der Zustand der Burg vor nunmehr 122 Jahren, also im Jahre 1756.

Sie sehen also, daß das letzte Jahrhundert die Zerstörung in erhöhtem Maße fortgesetzt hat. An die Stelle der Zugbrücke, welche über den Burggraben führte, ist ein aufgeschütteter Damm getreten, von der Mauer, die den Aufgangsweg einfasste, sind nur noch ganz geringe Reste vorhanden, aber die vier Thore sind völlig verschwunden.
Von dem im Jahre 1479 errichteten großen Wohngebäude welches, - ich weiß nicht aus welchem Grunde jetzt der Reitstall genannt wird, steht fast nur noch der weithin sichtbare Giebel, und auch an ihm, wie fest er auch ist, nagt in bedenklichem Grade der Zahn der Zeit ( er wurde erstmalig in den Jahren 1927/28 restauriert und instandgesetzt und dann 1967 erneut). Im Süden stand das im Jahre 1564 errichtete große Wohnhaus; von seinem Dasein zeugen nur noch die bis in unsere Zeit in Benutzung befindlichen Keller. Das Gewölbe der Capelle, welches schon im Jahre 1766 hat abgestützt werden müssen, ist inzwischen zusammengesunken, aber die Umfassungsmauern stehen noch immer. Wohl erhalten dagegen ist der Thurm und wird es hoffentlich noch lange bleiben. Vielleicht, daß es auch gelingt, ihn wieder zugänglich zu machen.

Ich habe aufgeschrieben und der Nachwelt erhalten, was über die Burg / Schloß Calbe geschrieben und erhalten wurde, es ist kein Phantasiebild sondern wirkliche Geschichte, die vor unseren geistigen Augen vorüber gegangen ist. Und wenn auch die Geschichte unserer Burg nicht im Mittelpunkt weltbewegender Ereignisse gestanden hat, so ist sie von den Ereignissen und den Kriegen nicht unberührt geblieben.


Manuskript des Vortrages von Oberpfarrer Julius Müller, Kalbe, vom 14.02.1878
   
  
 

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