Geschichten über Kalbe Milde
 

 



 
Grabungsbericht

Bericht von Dr. Uwe Vogt, Birkenwerder im August 2004, mit freundlicher Genehmigung von Frau Dr. Rosemarie Leineweber Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt

Vorbemerkung

Im Zuge der Erschließung der Burg Kalbe durch den Abwasserverband konnten erstmalig archäologische Aufschlüsse auf der Burg Kalbe gewonnen werden. Als Ausgrabung nach dem sogenannten Verursacherprinzip, wurden lediglich die von der Baumaßnahme betroffenen Flächen untersucht. Dies waren bis zu 1 m breite Kanalgräben, die eine Dokumentation der Profile ermöglichten. Die Lage der Profile richtete sich ausschließlich nach dem Verlauf der projektierten Abwasserleitungen. Es war nicht möglich die Profile nach archäologischen Gesichtspunkten anzulegen. In einigen Fällen hätten sich Fragestellungen zur Bauabfolge durch gezielte Grabungsschnitte klären lassen. Daher müssen derzeit viele Interpretationen hypothetisch bleiben. Die Interpretationen zu den über die Grabungsschnitte hinausgehenden Mauerverläufe sind daher eher als Arbeitshypothesen zu verstehen.

Befestigungsmauern im Bereich der Zufahrt

Die ersten Befunde wurden bereits im Bereich der Zufahrt angeschnitten. Es handelte sich dabei um Gründungspfähle (Bef. 1-8), die sicherlich in Zusammenhang mit einer Zuwegung, wahrscheinlich mit einer Brücke, über den Burggraben gestanden haben. Eine Rekonstruktion der Anlage ist anhand des schmalen Ausschnittes von nur 1 m nicht möglich. Von 3 Hölzern liegen Dendrodaten vor. Daraus lassen sich 2 Bauphasen ableiten. Die erste um 1309 liegt in einer Zeit zu der die Burg noch in Besitz der von Chröchern war. Die nächste nachweisbare Bauphase im Bereich der Zufahrt weist Daten von 1585 und 1591 auf. Mit diesen Befunden wird der Wiederaufbau nach dem Brand von 1583 gefaßt. Besonderes Augenmerk verdient der Befund 2. Hierbei handelt es sich um einen Holzpfahl, der hier in sekundärer Verwendung verbaut wurde. Ursprünglich war dieser Pfahl Bestandteil eines Wehres. Die eingearbeitete Nut war für die Aufnahme von Schütztafeln mit einer Stärke von bis zu 6 cm ausgelegt. Sicherlich stand dieses Wehr in Zusammenhang mit einer frühen Regulierung der Milde.
Der weitere Verlauf der Zufahrt hat sich im Befund 9 manifestiert. Hierbei handelt es sich um ein Findlingsfundament mit Ziegelmauer. Die Ziegelmauer wies eine gerade Kante auf, so daß hier offensichtlich ein Ende der Mauer gefaßt wurde. In Zusammenhang mit dem durchgehenden Fundament muß dieser Befund als Tordurchfahrt angesehen werden. An dieser Stelle stand demnach der äußerste Mauerring. Im Vergleich zu dem 5,5 m dahinter liegenden Befund 11 erscheint der Befund jünger, gehört also nicht in die älteste Ausbauphase. Demnach kann der Befund 11 als ein älterer, ebenfalls äußerer Mauerring angesehen werden. Nach weiteren 6 m wurde ein Befundkomplex angeschnitten, der fünf Bauphasen umfaßt. Das älteste Datum stammt von einem Holzpfahl mit abgemodertem Kopf mit einem Fälljahr von 1282. Die nächste Phase konnte in einem waagerecht liegenden Holzrahmen erkannt werden. Die Bauzeit kann um das Jahr 1325 angesetzt werden konnte. Dieser Ausbau spiegelt sicherlich den Ausbau der Burg nach dem Kauf durch Albrecht v. Alvensleben wider. Bereits 1361 wurde die Befestigung durch eine weitere 5 m dahinter liegende Mauer verstärkt. Zwei Mauern, die in 5 m Abstand um die Burg verlaufen erscheint wenig sinnvoll. Möglicherweise handelt es sich bei diesem Befund um die Errichtung des ersten Zwingers. Ein weiterer Gründungspfahl wurde auf 1493 datiert. Demnach haben sich die 1483 begonnenen Arbeiten der zerstörten Burg in diesem Bereich 10 Jahre lang hingezogen. Die letzte Bauphase datiert um 1548. Auch bei diesem Befund handelt es sich um einen Gründungspfahl. Die dazugehörige Mauer war nicht mehr erkennbar. Im Zusammenhang mit der Befestigung der Zufahrt muß auch der Befund 46 gesehen werden. Anhand dieser Mauer kann der weitere Verlauf der heute noch sichtbaren östlichen Wange der Tordurchfahrt belegt werden. Anhand des Gesamtbefundes kann an dieser Stelle ein Zwinger vorausgesetzt werden, der in Höhe des Nordendes der westlichen Mauer, wahrscheinlich sogar schon am Befund 9 begann. Das südliche Ende dieser Torgasse ist heute noch erhalten. Die Lage des nach außen zu schließenden Tores ist noch anhand des Angelsteines zu erkennen. An dieser Stelle band in der letzten Ausbauphase der Burg die Ziegelmauer Befund 30 ein. Die Rekonstruktion einzelner Befestigungsphasen wird dadurch erschwert, daß die Burg 1632 auf Veranlassung durch von Kurfürst Georg Wilhelm von Brandenburg abgetragen wurde. Offensichtlich wurde dabei auch in ältere Straten eingegriffen, so daß eine stratigraphische Bewertung erschwert wird, insbesondere da auch die unteren Schichten und der anstehende Boden nicht mehr erfaßt wurden. Bei der Einschätzung der Pfähle wurde davon ausgegangen, daß diese im Bereich der Zufahrt nur als Gründung für quer laufende Mauern verbaut waren.

Bauphasen

Aufgrund der derzeitigen Befundlage konnten für die Befestigungsmauern der Burg Kalbe vier Ausbauphasen herausgearbeitet werden. Die Befunde wurden alle im Bereich der heutigen Zufahrt angeschnitten. In einigen Fällen ließen sich im Inneren der Burg korrespondierende Befunde dokumentieren. Daher ließ sich die Lage von einigen Mauern auch im weiteren Verlauf wahrscheinlich machen. Phase 1 und 2 Keine der archäologisch erfaßten Befunde war auf dem gewachsenen Boden gegründet. Demnach muß es Vorgängeranlagen gegeben haben, deren Anzahl derzeit nicht zu ermitteln ist. Anhand der schiftlichen Quellen lassen sich 2 Bauphasen erkennen. Im Jahr 1240 wird die Burg Kalbe nach der Schlacht bei Gladigau zerstört (Phase 1) und 1245 wieder aufgebaut ( Phase 2).

Phase 3

In Höhe des noch als Ruine erkennbaren Palas (Gebhardbau) lag der Befund 25. Der Befund zeigte eine etwa 3 m breite Mauer aus in Kalkmörtel gebundenen Feldsteinen. Von der Bauweise her sind mit dieser Mauer noch die Befunde 36, 48 und 49 vergleichbar. Diese Befundsituation kann wie folgt interpretiert werden. Vom Befund 25 aus verlief die Mauer noch ein wenig in östlicher Richtung und knickte dann in Richtung auf den Befund 36 ab. Dieser Befund ist in Zusammenhang mit der Schicht 84, einem Mauerausbruch zu sehen. An dieser Stelle wurde die Mauer also weitgehend abgetragen. Der nächste Beleg für den weiteren Verlauf ist im Befund 48 zu sehen. Von hier aus verlief die Mauer westlich des Kanalgrabens, in dem der Befund nicht mehr nachgewiesen werden konnte. Im Bereich des Hauses 11 (R. Daries) kann die Mauer unmittelbar vor dem Haus verlaufen sein. Bei dem Bau des Hauses wurde der Standort wegen mächtiger Fundamentreste um mehrere Meter nach Süden in Richtung Burggraben versetzt. Ob diese Fundamente in der Bauweise mit den hier zur Rede stehenden vergleichbar sind, konnte nicht geklärt werden. Somit bleibt dieser Abschnitt hypothetisch. Ein weiteres Indiz liegt wieder im Befund 49 im Bereich des Hauses 15 (Ufer) vor. Von hier aus ist der weitere Verlauf unterhalb der nördlichen Mauer des Palas wahrscheinlich. Wahrscheinlich gab es zu diesem Gebäude bereits ein Vorgängerbau (siehe innere Babauung). Zu dieser Bauphase wird auch ein 3 m hinter dem Wachhaus sitzender, auf 1282 datierter Gründungspfahl gerechnet. Demnach wird hier ein äußerer Mauerring verlaufen sein. In westlicher Richtung kann der weitere Verlauf anhand eines brach liegenden Flurstückes erschlossen werden. Beiderseits dieses Streifens liegt bearbeitetes Gartenland. Der dazwischen liegende Grünstreifen deutet auf alte Mauerreste, die eine Bearbeitung dieses Areals erschweren. Demnach war die Burg in dieser Phase durch einen äußeren und einen polygonalen inneren Mauerring von etwa 1,5 m Stärke geschützt. Im Bereich der Zufahrt war die Mauer sogar etwa 3 m stark. Um 1282 der ältesten archäologisch faßbaren Bauphase, sollte der 1245, nach der Schlacht bei Gladigau begonnene Ausbau allerdings abgeschlossen sein. Das Dendrodatum von 1282 wird daher eher mit der Übernahme der Burg durch Droiste von Cröchern im Jahr 1296 in Zusammenhang gebracht. Dieser Ausbau wird als Phase 3 bezeichnet.

Phase 4

Die nächste nachgewiesene Bauphase 4 wird auf 1325 datiert. Diese Mauer verlief unmittelbar hinter dem heutigen Wachhaus. Auch in diesem Fall ist der weitere Verlauf des Mauerrings im Bereich des brach liegenden Grünstreifens zu vermuten. Die Burg wurde im Jahr zuvor, im Jahr 1324 an Albrecht v. Alvensleben verkauft. Anscheinend haben die neuen Herren unverzüglich mit dem Ausbau der Burg begonnen. Nur 4 m hinter dieser Mauer konnte ein horizontal liegender Balken auf das Jahr 1361 datiert werden. Möglicherweise bestand ein konstruktiver Zusammenhang mit daneben stehenden, undatierten Gründungspfählen. Ein paralleler Mauerring in so dichtem Abstand erscheint allerdings wenig sinnvoll. Daher wird die Möglichkeit erwogen, daß es sich bei diesem Befund lediglich um eine Erweiterung handelt. Von der Lage her und aufgrund des Abstandes von 4 m kann es sich hierbei um die Errichtung eines Torhauses handeln. Daher wird dieser Ausbau als Phase 4a bezeichnet.

Phase 5

Das nächste nachgewiesene Datum von 1493 zeigt einen erneuten Ausbau der Burg in der Phase 5 an. Zu dieser Phase wird der datierte Befund am Ende der heute noch erhaltenen Torgasse und eine weitere undatierte Mauer (Bef. 11) in Höhe des heutigen Wachhauses gerechnet. Der weitere Verlauf der vorderen Mauer ist wiederum im Bereich des Brachlandes zu erwarten. In der Gegenrichtung wird die Mauer unter der heutigen Bebauung vermutet. Die im Bereich der Zufahrt liegenden Befunde werden als 15 m langer Zwinger interpretiert.

Phase 6

Die letzte Bauphase 6 war noch über weite Strecken gut erhalten. Zu diesem Ausbau werden auch die heute noch sichtbaren Mauerreste im Bereich der Zufahrt angesehen. Diese Mauern werden bis unmittelbar vor das Wachhaus rekonstruiert. An dieser Stelle wurde eine Quermauer mit einer Zufahrt dokumentiert. Bemerkenswert ist, daß diese Durchfahrt nicht mittig lag, sondern leicht nach Nordwest versetzt. Aus diesen Befunden läßt sich ein 26 m langer Zwinger rekonstruieren. Nach 15 m war der Zwinger mit einer Zwischenmauer zusätzlich gesichert. Auch hier wird man um den Verteidigungswert zu erhöhen eine, diesmal in die andere Richtung versetzte, Durchfahrt annehmen können. Aus diesem Bereich konnte eine Dendroprobe auf das Jahr 1584 datiert werden. Den Abschluß des Zwingers bildete das heute noch erhaltene Ende der seitlichen Mauern. Von der Torverankerung ist noch ein Angelstein sichtbar. Für das gleiche Jahr wird auch der Bau des Wachhauses (heute altes Wachhaus) genannt. Dieser Ausbau der Phase 6 entspricht dem 1584 überlieferten Wiederaufbau nach dem Zerstörung durch Feuer im Vorjahr. Im Jahr 1632 wurde die Burg auf Befehl des Kurfürsten Georg Wilhelm abgetragen.

Innere Bebauung

Mit dem Befund 25 konnten die Reste eines massiven Feldsteinfundamentes erfaßt werden. Der weitere Verlauf wurde anhand der Befunde 36, 48 und 49 vorgenommen. Zwischen den Befunden 49 und 25 wird die Mauer unterhalb der Nordflanke des heute noch sichtbaren Palas (Gebhardbau) angenommen. Mit dem Befund 26 wurde ein Mauerzug erfaßt, des parallel zu der im Befund 49 nachgewiesenen Mauer verlief. Diese beiden Mauern bildeten die Ost- und Westwand eines Gebäudes, das direkt an der Burgmauer stand. Die Nord- und Südmauer wurden nicht erfaßt, es sollen aber folgende Indizien aufgeführt werden. Im Norden wurde der Befund 26 unmittelbar neben der Südwestecke des Palas (Gebhardbau) nachgewiesen. Daher erscheint es sehr wahrscheinlich, daß reits bein Vorgängerbau des heute sichtbaren Palas bestanden hat. In diesem Bereich wird auch die Nordseite des Gebäudes zu vermuten sein. In dem zwischen diesen Häusern liegenden Zwickel kann ein drittes Haus vermutet werden. Für die Lage der Südmauer ist es notwendig sich die Lage des hier erhaltenen Kellers zu vergegenwärtigen. Bei dem Keller handelt es sich ursprünglich um eine Tonne, die von ihrer Nordostseite her zugänglich war. Dieser Zugang ist zwischenzeitlich umgestaltet worden. Der heutige Kellerhals knickt nach Süden ab. Eine weitere Auffälligkeit ist in der Nordecke zu beobachten. Hier wurde ein Teil der Tonne mit einer senkrechten Wand zugesetzt. Hierfür scheinen statische Gründe im Zuge einer Überbauung vorgelegen zu haben. Diese Überbauung bestand wahrscheinlich in der Südwand des hier zur Rede stehenden Gebäudes. Diese neue Mauer verlief nicht nur über die Nordecke des Kellers, sie machte auch eine Umverlegung des Niedergangs erforderlich. Der neue Zugang nahm die veränderten Baufluchten auf. Er endete noch vor der Südmauer, muß also bereits zu dem Nachbargebäude gehört haben. Aufgrund der Einbindung zur Burgmauer werden die Gebäude der Bauphase 3 zugerechnet. Dafür spricht auch die gleichartige Bauweise der Fundamente.
Mit dem Befund 37 wurde ein massives Feldsteinfundament angeschnitten. Da der Befund an einem Knotenpunkt mit Schacht und zusätzlichem Abzweig für einen Hausanschluß lag, konnte der Befund hier mehrfach auf engem Raum dokumentiert werden. Demnach muß es sich hier um einen nahezu rechtwinklige Mauerecke handeln. Aufgrund der räumlichen Nähe zu der im Befund 36 gefaßten Mauerecke kann eine Gleichzeitigkeit ausgeschlossen werden. Ebensowenig wird diese Mauerecke mit der Mauer aus Befund 35 zeitgleich bestanden haben. Daher wird eine Zeitstellung zwischen der Phase 3 und der Mauer Befund 35, für die Phase 5 plausibel erscheint angenommen. Dieser Bauabschnitt begann 1325. In dieser Phase wurden auch die Heiligkreuzkapelle und der Hausmannsturm errichtet. Auch die heute noch sichtbaren Reste des Palas, die auf ein Bauwerk aus dem Jahr 1472 zurückgehen, fallen noch in diese Bauphase.
Mit den Befunden 33 und 35 konnte ein 8 m breites Gebäude erfaßt werden. Die Länge ließ sich nicht ermitteln. Lediglich für die Nordwestwand läßt sich die Lage eingrenzen. Bei der Verlegung des Hausanschlusses Nr. 4 (Damerow) wurde diese Mauer nicht mehr erfaßt. Daher wird die Gebäudeecke noch vor dem Hausanschluß zu rekonstruieren sein. An der Nordostseite konnte ein Durchgang nachgewiesen werden. Geht man von einem mittig gelegenen Eingang aus, so läßt sich die maximale Lange des Gebäudes auf 26 m festlegen. Ein Minimalwert läßt sich anhand der Befunde nicht gewinnen. Von der Innenausstattung hat sich ein Ziegelboden erhalten. Das Gebäude nimmt deutlich Bezug auf die Ziegelmauer Befund 30 aus der Phase 6, so daß das Gebäude in die Bauphase 5 gesetzt wird. In der letzten Ausbauphase wurde der Zugang des Gebäudes mit einer Ziegelmauer verbaut. Diese Zieglmauer nahm ihren Ausgang am hinteren Tor des Zwingers und kann über eine Strecke von 23 m sicher nachgeweisen werden. Der weitere Verlauf ist jedoch ungeklärt. Ob das Gebäude trotz der zugesetzten Mauer weiterhin bestanden hat, ist nicht geklärt.

Phase 3

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Phase 3

Phase 4

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Phase 4

Phase 5

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Phase 5

Phase 6

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Phase 6


Ausarbeitung Dr. Uwe Voigt Birkenwerder; mit Genehmigung des Landesamtes für Denkmalpflege Halle, Frau Dr. Leineweber

   
  
 

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